Willkommen auf meiner homepage
Über mich
Ich wurde auf Fidschi geboren und wuchs in Neuseeland auf. Ich lebte und arbeitete auch drei Jahre in Japan. Während dieserZeit nutzte ich die Gelegenheit, durch Asien zu reisen. Jetzt lebe ich wieder in Neuseeland, aber ich plane immer wieder neue Reisen. Wenn du mehr von meinen Reiseschnappschüssen sehen willst, dann schau in mein Reise-Tagebuchr Seite (die Seite wird jeden Monat aktualisiert).
Bislang arbeitete ich als Anwältin, Bibliothekarin, Süßwarenfabrikarbeiterin, Aushilfskraft in einer Bank und Englischlehrerin – und das nicht unbedingt in genau dieser Reihenfolge. Manche mögen das unbeständig nennen, aber ich bezeichne es als ‚Wasser auf die Mühlen des Autors’.
Keine geplant – schau später zurück.
Diese Seite ist mit Hilfe meiner deutschsprachigen Leser entstanden. Ein Dankeschön an Cora, Ulrike, Julia S., Denise, Doro, Julia W., Sabine, Eva, Danny, Valerie, Lena, Natascha und Uta.
26 Mai 2023
Engelsaufstieg
Band 15
Engelskuss
Ich war schon immer fasziniert von psychischen Kräften und von der Idee, dass wir ungeahnte Fähigkeiten in uns haben. Experimente haben gezeigt, dass Menschen nur einen winzigen Teil ihres Gehirns benutzen. Aber was wäre, wenn wir plötzlich in der Lage wären, den ungenutzten Rest zu aktivieren – wäre es nicht möglich, dass das, was man jetzt als übernatürlich abtut, plötzlich alltäglich ist?
Als Kind habe ich geglaubt, dass es toll wäre, die Gedanken anderer lesen zu können. Aber als ich älter wurde, bekam ich moralische Bedenken und mir wurde bewusst, dass ich nicht wirklich die Gedanken von anderen lesen wollte. Was wäre aber, wenn echte Telepathen keine Kontrolle über ihre Fähigkeiten hätten? Was, wenn sie nicht aufhören könnten?
An einem Tag im Februar 2005 schien es mir, als hätten meine Überlegungen zum Thema übersinnliche Fähigkeiten genug Zeit gehabt zu reifen. Meine Anfangsidee blühte förmlich auf und sie war verblüffend einfach: Was wäre, wenn als Kehrseite zu den übersinnlichen Kräften der Wahnsinn stünde, der die Betroffenen bis zum Morden triebe. Wie weit würde man gehen um zu überleben?
Diese albtraumhafte Frage war der Beginn von Leopardenblut. Wie im Zwang schrieb ich den kompletten ersten Entwurf in drei Wochen. Mit jeder Seite, die ich schrieb, gewann die Frage immer mehr an Komplexität, da die Menschen nicht nur aus deren Fähigkeiten bestanden, sondern empfindungsfähige Wesen waren. Und sie befanden sich in einer unhaltbaren Situation.
Ich werde wahrscheinlich später mehr darüber schreiben, aber für jetzt werde ich Euch mit dieser Frage alleine lassen: Würdest Du Silence wählen, wenn Du ein Teil des PsyNetzes wärst?
Leopardenblut
“Ein super Auftakt zu einer super tollen Gestaltenwandler-Serie, die meiner Meinung nach genial geschrieben ist J” Rezensentin auf www.amazon.de
Jäger der Nacht
“[…] ein gelungener Mix aus Sci-Fi, Fantasy, Erotik und Krimi.“
Eisige Umarmung
“Diese Geschichte ist herrlich. Sie hat alles, was solch ein Buch haben muss, eine spannenden Handlung voller Überraschungen, erotische Einlagen, eine Liebesgeschichte, […] und viele neuartige Ideen.” Rezensentin auf www.grimoires.de
“Alles in allem liegt hier ein spannendes, erotisches und romantisches Buch über eine große und eigentlich unmögliche Liebe vor, die in einer faszinierenden Welt spielt, die der unseren ähnlich ist. Dieser Band ist ebenso wie seine beiden Vorgänger voll und ganz zu empfehlen!” Rezensentin auf www.roterdorn.de
Sengende Nähe
„Ein wahrhaft gelungener Roman voller Leidenschaft, Spannung und Erotik, der es definitiv wert ist gelesen und verschlungen zu werden.“
„Immer wieder fasziniert Nalini Singh ihre Leser durch unvorhersehbare Wendungen und wundervoll ausgearbeitete Dialoge. Ihre Charaktere sind vollkommen sicher dargestellt und von solch berauschender Persönlichkeit, das man sie einfach lieben muss.“
„Ein sehr gut gelungenes Lesevergnügen, das wie immer Lust auf mehr macht!“ Rezensentin auf schreibstuebchen.phpbb8.de
Gilde der Jäger 01: Engelskuss
„Erfrischend anders und sehr spannend – gelungene Fantasy für Erwachsene.“ animalibri.blogspot.com
„Toll, aufregend, absolut unwiderstehlich. Der Roman fasziniert in so vielen Arten, dass man einfach nicht davon ablassen kann.“
„Das Buch ist einfach nur ein Hochgenuss…“ irierastasistren.blogspot.com
„Ein toller Roman, der alle Erwartungen sogar noch übertrifft.“ www.lovelybooks.de
„Fantasy plus Spannung plus Leidenschaft und Romantik – mehr kann man von einem Buch nun wirklich nicht verlangen.“ Petra, Ausgabe: 05/2010, Auflage: 42.259
„Nalini Singh bietet wundervolle Unterhaltung mit einer gelungenen Mischung aus Fantasy und Liebesgeschichte. Eine einzigartige Idee, wundervoll geschrieben und schön verpackt – das passende Buch für einen gemütlichen Leseabend.“ Media Mania Magazin, Ausgabe: April 2010
Gilde der Jäger 02: Engelszorn
„Die Handlung ist eine gelungene Mischung aus Spannung, Erotik und Fantasy, die viel für den Fortgang der Reihe verspricht.“ blattgold-lesen.blogspot.com
„Nalini Singh schreibt überaus fesselnd, fantastisch, packend und erotisch, so dass ich das Buch nur mit Mühe aus den Händen legen konnte.“ newkidontheblog.de
„Was den Schreibstiel von Frau Singh angeht ist es wie immer ein Genuss und eine wahre Freude.“ www.testlabor.eu
„Die Autorin versteht es Spannung, Fantasie und Liebe miteinander zu verbinden und den Leser voll und ganz in den Bann der Geschichte […] zu ziehen.“ sanicha.blog.de
Fakt 1: Panther sind keine eigene Spezies sondern gehören zur Gruppe der Leoparden, die Dank ihrer Gene eine dunkle Pigmentierung haben. Wenn du genau auf das Fell siehst, kannst du die charakteristischen Leopardenrosetten erkennen.
Fakt 2: Leoparden mögen kein Wasser, sind aber gute Schwimmer.
Fakt 3: Es wird darüber diskutiert, ob Großkatzen tatsächlich schnurren. Nachdem ich Expertenmeinungen gehört und eine Tonne Forschungsmaterial gelesen hatte, habe ich beschlossen, die künstlerische Freiheit zu benutzen und entschieden, dass sie schnurren. Immerhin sind Gestaltwandler nicht genau wie ihre wilden Gegenstücke. Sie sind Mensch und Tier in einem. Und Menschen können schnurren, wenn man sie genau richtig streichelt. *grins*
Fakt 4: Der VIP-Ordner, auch genannt „Die Serien-Bibel“, ist ein Ordner, in dem sämtliche Informationen über die Psy/Gestaltenwandler-Serie stehen. Ich brauche ihn, weil es in meiner erschaffenen Welt Regeln gibt, die ich einhalten muss. Außerdem gibt es so viele Charaktere, über die ich bereits geschrieben habe und die ich nicht mehr verändern darf. Ich habe das noch nicht erkannt, als ich „Leopardenblut“ geschrieben habe, aber bei „Jäger der Nacht“ wurde es dann offensichtlich. Ständig blätterte ich „Leopardenblut“ durch, um sicherzugehen, dass ich keine Fakten verändert hatte.
Um es ganz einfach zu sagen: Die Bibel enthält Beschreibungen der Charaktere. Ich muss wissen, wer welche Haar- oder Augenfarbe hat, wie groß sie sind oder andere wichtige physische Merkmale – zum Beispiel Lucas’ Narben im Gesicht. (Nicht, dass ich diese jemals vergessen könnte!)
Der Ordner verhindert, dass ich Fehler mache oder hilft mir, sie zu finden. In „Jäger der Nacht“ veränderte sich zum Beispiel Rinas Haarfarbe von blond zu braun. Diesen Fehler bemerkte ich erst bei der letzten Korrektur.
Doch das ist noch lange nicht alles. In dem Ordner gibt es auch Baumdiagramme, welche die Verbindungen zwischen den Charakteren zeigen. Also nicht nur die Familienstammbäume sondern auch die Beziehung im Rudel oder im Medialnet. In meiner Welt ist natürlich auch der Zeitverlauf wichtig, deshalb habe ich einen Zeitstrahl mit allen Geburtsdaten oder wichtigen Ereignissen angelegt. Es gibt Vorkommnisse, die die Charaktere verändern oder dazu führen, dass sie sich weiterentwickeln. Diese Veränderungen muss ich mir merken!
Das alles klingt jetzt natürlich sehr organisiert und technisch und gewissermaßen ist es das auch. Ich brauche diese Informationen möglichst schnell und leicht erreichbar in meiner Nähe. Aber es ist auch nicht so, dass ich ständig in diesen Ordner sehe, während ich ein Buch schreibe. Ich tendiere dazu, meine Entwürfe sehr frei aufzuschreiben und nur wichtige Faktoren, die vielleicht die Handlung beeinflussen könnten, nachzuschlagen. Erst während der späteren Korrekturen gehe ich die Handlung ganz genau durch und sorge dafür, dass auch die kleinsten Details stimmen.
Die Bibel ist natürlich nie komplett, sie entwickelt sich ständig weiter! Wenn ich zum Beispiel Hawkes Geschichte schreibe, werde ich jedes vorherige Buch durchsehen und mir jeden Satz in dem er vorkommt notieren. Das muss sein, weil er eine so starke Präsenz in der Serie ist. Diese Arbeit ist sehr, sehr nützlich. Ich würde sie jedem Autor empfehlen, der eine Serie schreibt. Es wird euch einen Haufen Zeit ersparen. Es kann natürlich sein, dass du trotzdem Fehler machst (wir sind nach wie vor nur Menschen) aber eine ausführliche „Bibel“ verringert die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert.
*Spoiler Warnung*
1. Wie von einigen gewünscht, gibt es hier eine Liste der am häufigsten verwendeten Psy-Bezeichnungen. (Die Liste ist keineswegs vollständig.)
Tk – Telekinese (einige verfügen über die Fähigkeit der Teleportation, andere nicht)
Bisher in den Büchern genannte Untergruppen:
Tk-Zelle: Ein Psy mit der Fähigkeit Tk-Zelle kann Dinge auf der zellularen Ebene bewegen. Einige können sogar Zellen im eigenen Körper verschieben.
Tp – Telepathie
Telepathen sind in viele Untergruppen aufgeteilt. Reine Tp-Psy sind am oberen Ende der Skala – sie können buchstäblich über die ganze Welt senden und empfangen, mit einer Deutlichkeit, die es erscheinen lässt, als ob sie im Raum nebenan stünden. Reine Telepathen dieser Stärke sind selten und arbeiten üblicherweise für den Psy-Rat.
M – Medizinisch
M-Psy haben verschiedene Spezialisierungen. Die bekannteste ist die Fähigkeit, in einen Körper zu sehen und Krankheiten zu diagnostizieren. Einige M-Psy, am oberen Ende der Skala, können sogar bis auf die DNA-Ebene sehen. Eine unbekannte Anzahl von M-Psy kann tatsächlich heilen. Dies scheint jedoch auf kleinere Verletzungen (Knochenbrüche, Schnitte etc.) begrenzt zu sein.
F – Blick in die Zukunft / Voraussicht
Eine Ausprägung der Voraussicht, die auch in die Kategorie F fällt, ist der Blick in die Vergangenheit.
Ps – Psychometrie
Einfach ausgedrückt: Ps-Geborene können Informationen durch die Berührung von Objekten erhalten. Auf die Ps-Psy wird in den folgenden Büchern der Serie noch genauer eingegangen.
Ferner gibt es noch (weitere Informationen dazu kommen in den noch folgenden Büchern):
Die Fähigkeit Illusionen zu kreieren.
Die Fähigkeit jemandem einen „elektrischen Schock“ zu verpassen.
(Die letzten beiden Fähigkeiten wurden in den bisherigen Büchern noch nicht erwähnt.)
2. Ist das Privileg einer Berührung eine formelle Sache, das heißt, gibt es hierfür Regeln?
— Nein, das Ganze ist eine sehr private Sache; jedoch gibt es bestimmte Voraussetzungen. So haben Liebespaare, Rudelmitglieder und Gefährten automatisch die Erlaubnis zu berühren. Doch auch dann muss ein Gestaltwandler aufmerksam die Körpersprache beobachten, um herauszufinden, ob auch in seinem Fall die Voraussetzungen gelten.
Da eine Berührung etwas sehr Intimes ist, legt jeder individuell fest, in welchem Umfang und wem er das Recht der Berührung einräumt.
3. Wer ist die Heldin in Hawkes Geschichte?
— Es ist Dir doch klar, dass Du das gar nicht wirklich wissen willst. Wo wäre denn dann der Spaß dabei?
4. Werden wir noch andere Rudel außer SnowDancer und DarkRiver kennenlernen?
Ja.
5. Wird Walker Lauren ein eigenes Buch bekommen?
Seine Geschichte habe ich schon im Kopf, es ist jedoch noch nicht sicher, ob es ein Buch wird oder nur eine Kurzgeschichte.
6. Wieso ist Judd Lauren psychisch nicht mit den SnowDancern verbunden, wie es Sascha und Faith im Sternennetz sind?
Dies kann ich nicht beantworten ohne einen riesigen Spoiler zu verraten. Ich habe diese Erklärung zuvor genau ausgearbeitet. Es gibt einen Grund dafür, welcher (hoffentlich) Sinn macht wenn Ihr es lest!
7. Hat Ihre Serie ein offenes Ende oder planen Sie eine bestimmte Anzahl an Büchern?
Ich habe die Anzahl der Bände nicht geplant, aber dafür die Handlung der Geschichte. Ich weiß, in welche Richtung die Serie geht und wie das endgültige Ende aussehen wird.
8. Ist der Nachwuchs der Psy/Changeling- oder Mensch/Changeling-Paare immer Changeling? Oder gibt es Ausnahmen?
Es gibt immer Ausnahmen von der Regel. Es ist jedoch so, dass in den meisten Fällen ein Kind mit einem Changeling-Elternteil die Fähigkeit hat, seine Gestalt zu wandeln. Das bedeutet nicht, dass sie reinblütige Changelings sind. Sie sind sozusagen Mischlinge, was zu allen möglichen interessanten Dingen führen kann.
9. Werden Psy/Menschen-Paare menschliche Kinder oder Psy-Kinder bekommen?
Da Psys, Changelings und Menschen in der Lage sind, gemeinsam Kinder zu zeugen, ist es genetisch gesehen unmöglich, dass so ein Kind nur das eine oder das andere ist. Es ist beides und einige genetische Eigenschaften treten dabei stärker hervor, andere hingegen sind rezessiv.
“Lockruf des Verlangens” hat bei der diesjährigen Lovely Books Abstimmung „Der Leserpreis – die besten Bücher 2012“ den ersten Platz in der Kategorie Fantasy/Sience Fiction gewonnen! Ich freue mich riesig und sage allen Dankeschön!
Ben und die Christbaumkugel
Eine weihnachtliche Geschichte aus der Welt der Gestaltwandler
Ins Deutsche übertragen von Michaela Link
Marlee fragte sich, wo Ben blieb. Er würde nichts mehr von dem Kuchen abbekommen, wenn er nicht bald auftauchte. Sie schnappte sich ein zusätzliches Stück, als gerade niemand hinschaute, wickelte es in ein Papiertuch und steckte es sich in die Tasche. Dann machte sie sich auf die Suche nach ihrem Freund.
»Immer langsam, Marlee!« Onkel Drew und Hawke, der Alpha der SnowDancer-Wölfe, hoben den großen Tisch, den sie trugen, noch höher, damit sie sich nicht den Kopf stieß, wenn sie darunter hindurchlief.
»Danke!« Marlee duckte sich an weiteren vielbeschäftigen Erwachsenen vorbei, die alles für die große Party herrichteten, und winkte ihren anderen Freunden zu, ohne anzuhalten. Sie würde ohnehin bald zurück sein. Zuerst musste sie Ben finden.
Sie lief bis zu dem Baum, in dem er ein Baumhaus hatte. Es war nicht wirklich sein Baumhaus; alle Jungen durften darin spielen, aber es war sein Lieblingsplatz, wenn er allein sein wollte. Sie war jedoch immer eingeladen – Ben wollte kaum jemals ganz allein sein.
»Ben!«, rief sie hinauf, aber dort oben herrschte Stille, und als sie mit ihren telepathischen Sinnen suchte, fing sie keinen Hauch seines leuchtenden, klugen Geistes auf. Marlee würde niemals ohne Erlaubnis irgendjemandes Gedanken lesen – das konnte sie bei Gestaltwandlern ohnehin nicht, aber ihr Daddy sagte, es sei in Ordnung, ihre Sinne auf diese Weise zu benutzen. So wie ein Wolf seinen Geruchssinn einsetzte, um Dinge zu riechen, die sie selbst nicht riechen konnte.
Als ihr klar wurde, dass Ben nicht dort oben war, beschloss sie, sich ein kleines Stück in den mit Schnee überzuckerten Kiefernwald zu wagen. Gut, dass sie die Stiefel trug, die sie von Tante Indigo bekommen hatte, und ihren rosa Mantel mit dem schwarzen Samtkragen, den sie sich selbst mit Lara, ihrer Mom, an einem »Mädelstag« ausgesucht hatte.
Der Wald war für die Kinder verboten, aber Ben war nicht besonders gehorsam und ging manchmal zum Wasserfall. Der Wasserfall war jetzt ein toller Anblick, wie er ganz gefroren unter der Gebirgssonne schimmerte. Marlee wusste es, weil sie ebenfalls oft nicht besonders gehorsam war. Dann ging sie nämlich mit Ben dorthin, und sie saßen am Wasserfall und redeten, die Gischt – wenn er nicht gerade zugefroren war – kühl auf ihren Gesichtern.
Ben nahm manchmal seine Wolfsgestalt an, wenn sie dort saßen. Dann war sein Fell ganz weich unter ihrer Hand. Marlees andere Freunde waren nett, aber ab und zu neckten sie sie, weil sie mit einem »Baby« befreundet war.
Ben war kein Baby, aber er war mehrere Jahre jünger als sie. Er war noch nicht soweit, dass er etwas mehr von den Erwachsenendingen verstand – so wie sie inzwischen –, aber er verstand, was in ihr vorging. Er wusste, wann sie Angst hatte oder sich Sorgen machte, und dann nahm er ihre Hand, und sie standen dort, und sie fühlte sich besser.
Er war ihr bester Freund, obwohl er noch jung war und gern mit Autos spielte. Noch ein paar Jahre, und sie würde fahren lernen – dann konnte sie ihn in einem echten Auto herumkutschieren.
»Ben!«, rief sie auf halbem Weg zum Wasserfall noch einmal. Keine Antwort, aber … da war er! Er saß mit gesenktem Kopf auf der mit Kiefernnadeln gepolsterten und schneebedeckten Erde. Sein dunkles Haar glitzerte von Schnee, der vom Ast über ihm herabgerieselt sein musste.
»Ben!« Rasch war sie bei ihm in der Erwartung, dass er vielleicht einen interessanten Käfer entdeckt hatte und diesen beobachtete.
Aber als er den Kopf hob, sah sie getrocknete Tränen auf seinem Gesicht. Marlee erstarrte für eine Sekunde. Ben weinte nie. Ben war immer glücklich. »Was ist passiert?« Sie ließ sich neben ihm auf die Knie fallen und zog ihn eng an sich. Schon spürte sie die Kälte des Schnees durch ihre Jeans. »Bist du hingefallen?«
»Ja.« Er nickte in ihren Armen. »Dabei ist meine Christbaumkugel kaputtgegangen.«
Er hielt die Kugel für die Feier in der Hand. Sie und die anderen Kinder hatten eine ganze Woche lang nach der Schule an ihrem Baumschmuck gearbeitet. »Sie sieht heil aus«, bemerkte sie.
Ben drehte die Hand und zeigte ihr die große Delle auf der anderen Seite. »Sie ist kaputt.«
Marlee setzte sich neben ihn. Sie überlegte kurz, ihm ihre eigene anzubieten, aber er würde sie bestimmt nicht annehmen. Er hatte seine eigens für seine Mom gemacht – es waren Ausschnitte von Fotos darauf mit ihm selbst, seiner Mom, seinem Dad und der kleinen Elodie. Außerdem hatte Ben mit einem Glitzerstift wunderschöne Schneeflocken gemalt. Das konnte er besser als selbst die Jugendlichen!
Er hatte sie auch auf ihre Christbaumkugel gezeichnet, nachdem sie ihn darum gebeten hatte. »Vielleicht können wir sie reparieren«, meinte sie.
Ben rieb sich mit einer Hand die Augen und schüttelte den Kopf. »Sie ist total eingedrückt. Siehst du?« Er zeigte es ihr.
»Ja, sie hat auch ein kleines Loch.« Als sie die Kugel nahm und sanft schüttelte, hörte sie, dass sich etwas darin bewegte. »Ich denke, das Stück ist da drin.« Sie biss sich kräftig auf die Unterlippe. »Wir könnten zusammen eine neue machen.«
»Die wird nicht dieselbe sein.« Ben nahm die Kugel ganz vorsichtig wieder an sich. »Ich will meiner Mom keine kaputte Christbaumkugel schenken.« Eine frische Träne rollte ihm über die Wange, und es tat Marlee in der Seele weh.
Sie zog ihn wieder an sich. »Deiner Mom wird es nichts ausmachen.« Lara machte es niemals etwas aus, wenn Marlees Geschenke nicht perfekt waren. Sie benutzte den Becher, den Marlee im Töpferkurs gemacht hatte, obwohl er schief war.
»Ich weiß«, murmelte Ben, »aber immer wieder mache ich etwas kaputt.« Er seufzte. »Ich will ihr etwas Heiles schenken.«
Als Marlee sah, dass sich sein Gesicht erneut vor Traurigkeit verzog, wühlte sie verzweifelt in ihrer Tasche und hielt ihm das leicht zerquetschte Stück Kuchen hin. »Das habe ich für dich aufgehoben.«
Er nahm es, legte sich seine Kugel vorsichtig auf den Schoß und öffnete das Papiertuch, um den Kuchen mit den Fingern zu essen. Aber er war immer noch traurig, das spürte sie. Es gefiel ihr nicht. Ben hatte funkelnde dunkle Augen, und er lachte immer.
Sie hatte mit Ben das Lachen gelernt. Vorher war ihre Familie mit dem Medialnet verbunden gewesen, dem geistigen Netzwerk ihrer Spezies, und es war nicht gestattet gewesen zu lachen oder irgendwelche Gefühle zu haben, und so hatte sie es nicht gekonnt, als sie zu den Wölfen gezogen war. Aber dann hatte Ben einfach beschlossen, ihr Freund zu sein, und er hatte dauernd gelacht, bis sie es eines Tages ebenfalls konnte.
»Komm«, sagte sie und stand auf. »Ich habe eine Idee.«
Ben gab ihr das Papiertuch, und sie stopfte es sich in die Tasche. Auf seinem Gesicht waren immer noch Spuren von Schokoladenglasur zu sehen, als sie Onkel Judd fanden. Er telefonierte draußen im Schnee vor dem Eingang der Höhle, einen ernsten Ausdruck auf dem Gesicht. Aber als er sie und Ben sah, lächelte er.
Also wusste Marlee, dass sie ihn nun stören durften. Sie nahm Ben an der Hand und ging zu ihrem Onkel hinüber.
Er hockte sich vor sie hin, nachdem er das Telefongespräch beendet hatte, und breitete für sie beide die Arme aus. Sie traten hinein. »Was gibt es?«, fragte er auf die ruhige, aber ernsthafte, für Onkel Judd so typische Weise, die in Marlee das Gefühl weckte, dass das, was sie zu sagen hatte, wichtig für ihn war.
»Ben hat sein Geschenk für seine Mom kaputt gemacht.« Sie zeigte ihm die Kugel. »Siehst du?«
»Ah.« Er griff mit einer Hand nach der Kugel, während er die andere um Ben gelegt hielt, und sagte: »Ist das der Grund, warum du so still bist, Papagei?«
Ben verzog die Lippen, und seine Augen hatten schon wieder ein klein wenig Glanz. »Ja. Ich bin traurig.«
»Nun, das geht ja gar nicht.« Onkel Judds eigene Augen, ein dunkles Schokoladenbraun mit goldenen Einsprengseln darin, begegneten Marlees Blick. »Hast du es selbst versucht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich würde es vielleicht nur noch schlimmer machen.« Ihre Kontrolle war noch nicht allzu gut, und ihre telekinetischen Kräfte reichten auch nicht annähernd an die ihres Onkels heran. Er war mächtig. Manchmal stellten sich ihr in seiner Nähe die winzigen Härchen auf den Armen auf. Nicht weil sie Angst hatte, sondern weil er so viel telekinetische Energie in sich hatte.
»Wir werden das ein andermal ausprobieren, aber heute …« Er betrachtete die Kugel mit stiller Konzentration, und langsam wölbte der zerbeulte Teil sich wieder nach außen. Die Kugel war nicht aus Glas – mit Glas durften sie nicht spielen. Marlee hatte gehofft, dass sie sich deshalb leichter wieder ausbeulen ließ.
»Da ist noch ein abgebrochenes Stückchen im Inneren«, flüsterte sie, während Bens Lächeln breiter wurde.
»Ich hab es.«
Das abgebrochene Stück kam aus der Kugel und fügte sich säuberlich in das kleine Loch, und dann machte Onkel Judd das, was nur er konnte: Er ließ das Bruchstück wieder mit dem Rest verschmelzen. Als sei nie etwas kaputt gewesen. Onkel Judd war mehr als ein gewöhnlicher TK-Medialer, und meistens heilte er Menschen, aber manchmal reparierte er auch Dinge, wenn Marlee ihn darum bat.
»Was meinst du, Ben?« Er hielt ihrem Freund den Weihnachtsschmuck hin.
Ben umfasste die Kugel sanft mit beiden Händen. Seine Augen leuchteten. »Sie ist perfekt! Danke, Onkel Judd!« Er umarmte ihn mit dem Kopf über Onkel Judds Schulter und hielt seine Weihnachtskugel gut fest. »Ich werde sie meiner Mom sofort schenken! Ich will sie nicht noch einmal kaputt machen.«
»Ich finde, das ist ein guter Plan«, sagte ihr Onkel mit einem nicht gerade breiten Lächeln. Marlee jedoch wusste, dass es für ihren Onkel schon ein strahlendes Lächeln war, denn er hatte sein ganzes Leben im Medialnet verbringen müssen und war immer wieder gequält worden. Nur um ihn zu einem Pfeilgardisten zu machen, der gefährlichsten Art von Soldat.
Alle dachten, sie wüsste das nicht, aber Marlee war groß genug, um zu verstehen, dass ihr Daddy, Onkel Judd und Sienna niemals hatten spielen dürfen, so wie sie es tat. Niemand hatte sie jemals umarmt oder sie ins Bett gebracht oder ihnen eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Es war schwer für ihren Daddy, seine Gefühle zu zeigen, aber Marlee spürte seine Liebe wie eine warme Decke.
So wie sie in diesem Moment Onkel Judds Schalkhaftigkeit spürte, als er sagte: »Wollt ihr hingebracht werden? Ich bin mir sicher, dass Ava bei Indigo im Büro ist.«
Als sie beide begeistert nickten, teleportierte er sie mitten in die Höhle.
»Benny!« Bens Mom, die auf dem Stuhl vor Indigos Schreibtisch saß, lächelte dieses breite warme Lächeln. »Und Marlee, Schätzchen. Habt ihr zwei Judd wieder solange genervt, bis er euch durch die Weltgeschichte teleportiert hat?«
»Mom, ich habe dir eine Christbaumkugel gemacht!« Ben hielt sie ihr mit beiden Händen hin. »Sie ist extra für dich. Und ich habe sie kaputt gemacht und geweint und ich war traurig, aber Onkel Judd hat sie repariert, und jetzt ist sie wieder heil.«
Ava nahm die Kugel mit einem sanften Ausdruck in den Augen entgegen. Marlee trat hinter den Schreibtisch, wo Indigo, eine Offizierin der SnowDancer-Wölfe saß, die Füße lässig auf der Tischplatte. Sie beugte sich dicht zu Indigo hinüber und flüsterte ihr zu: »Ich glaube, Ava muss weinen.«
Indigo legte Marlee einen Arm um die Schultern und nickte. »Yep. Ich denke, du hast recht.« Sie zog eine Braue hoch. »Das erweicht selbst mein zähes, steinernes Herz. Dein Freund hat so eine besondere Art.«
»Dein Herz ist nicht steinern.« Marlee runzelte die Stirn. »Letzte Woche hast du Onkel Drew Rosen geschickt.«
»Scht.« Mit einem Finger auf den Lippen runzelte Indigo finster die Stirn. »Ich habe einen Ruf zu wahren.«
Marlee lachte, während Ava auf der anderen Seite des Büros weinte und Ben an sich drückte.
Aber es waren glückliche Tränen, und Marlee wusste jetzt auch darüber Bescheid. Nie wieder würde sie ihre Gefühle in einen harten Ball in ihrem Herzen quetschen. Sie würde frei aufwachsen – und sie würde mit einem Freund aufwachsen, der nicht immer so jung sein würde.
Plötzlich fragte sie sich, wie Ben als Erwachsener sein würde. Aber dann lachte er und küsste seine Mom auf die Wange, und der Gedanke flog davon.
»Komm, lass uns noch etwas Kuchen mopsen!«, rief er ihr zu.
Grinsend lief sie mit ihm aus dem Büro, während seine Mutter eine Träne wegwischte und Bens Christbaumkugel auf Indigos Schreibtisch legte, wo sie das Licht einfing und funkelte wie Bens Augen.
Die Prinzessin der Kannibalen
„Sascha, Liebling!“
Sascha‘s Lippen zuckten bei dem kindlichen Schrei. „Du bist Schuld,“ sagte sie zu Lucas, der nur sehr schlecht sein Grinsen verbergen konnte.
„Was soll ich sagen?“ Er breitete seine Arme aus. „Das Kind hat einen guten Geschmack und nicht zu vergessen exzellente sprachliche Fähigkeiten.“
Ihren Seelenpartner ignorierend, als er sie aus Tamsyn’s großer Küche in das Wohnzimmer führte, ging sie zu Julian und Roman, die Seite an Seite auf dem Sofa saßen. „Ihr habt gerufen, Eure Hoheiten?“
Die Leopardenjungen kicherten und rückten ein Stück auseinander. Julian klopfte auf den Platz zwischen ihnen und Sascha setzte sich hin. Sofort kuschelten die beiden sich an sie, klein und warm und so kostbar. Immer wenn sie die beiden im Arm hielt, machte sie sich Gedanken darüber, was die Zukunft für sie und Lucas bereithielt. Ihre Augen sahen nach oben und trafen die seinen, als er sich auf die Ecke des Couchtisches vor sie hinsetzte. Das wunderschöne Grün seines Blickes enthielt ein intensives Versprechen.
Ihr Herz machte einen Satz. Unmöglich, sagte ihr Psy-Verstand. Aber sie wusste es war möglich. Gefühle haben eine Kraft in sich, welche die meisten Psy vergessen haben. Sie können wehtun und sie können soviel Freude bringen, es ist mehr als alles was sie sich je hatte vorstellen können.
Eine kleine Hand tätschelte ihren linken Arm. Roman, dachte sie, und drehte sich zu ihm herum und gab ihm einen Kuss auf seinen Kopf. Er war der Ruhigere der beiden, aber zusammen waren sie Schwierigkeiten auf vier Füßen – acht, wenn sie sich in ihre tierische Gestalt verwandelten. „Vermisst du deine Mama?“ fragte sie.
Roman nickte. An ihrer anderen Seite fragte Julian, „Zurück heute Abend?“ Seine Stimme war ungewöhnlich traurig.
„Ja, sie kommt heute Abend wieder zurück.“ Tammy und Nate hatten eine kurze Reise außerhalb des Staates gemacht und die beiden Leopardenjungen in Sascha und Lucas‘ Obhut zurückgelassen. Sascha liebte die beiden über alles – es überraschte sie jedoch immer wieder, dass diese Verehrung auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie schaute beide der Reihe nach an. „Ich teile ihr bestimmt mit, dass ihr beiden ganz brav wart.“
Dafür bekam sie ein Lächeln von Julian und einen Kuss auf die Wange von Roman. Lucas beobachtete sie, neckte sie mit seinen Augen. Er wusste, sie war den Kindern hoffnungslos verfallen. Sie schnitt ihm ein Gesicht.
„Geschichte, Sascha?“
Sascha erstarrte bei Julians Frage. Auch nach vielen Monaten mit DarkRiver, wurde sie immer noch mit Dingen konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet war. „Ihr möchtet eine Geschichte hören?“
Zwei Köpfe nickten mit zwei Paar strahlenden Augen, die erwartungsvoll auf sie gerichtet waren.
Verloren blickte sie zu Lucas. Sie wusste nicht wie man Geschichten erzählte. Ihre Kindheit verbrachte sie damit, sich die Gefühle aus der Seele herauszupressen.
Keiner hatte ihr jemals Geschichten erzählt, außer denen, die sie davor warnten, ihre Gefühle ständig weggeschlossen zu halten, so dass diese sie nicht zerstören konnten. Ihre Mutter hatte ihr flüsternd von den Rehabilitierten erzählt, den albtraumhaften Kreaturen, die nicht mehr waren als wandelnde Gehirnlose, deren Leben aus ihnen herausgesaugt worden war.
Ihre stärkste Kindheitserinnerung war der Besuch im Zentrum, wo sie die Rehabilitierten von einer zur anderen Seite des Raumes hin und her schlurfen sah, deren Gesichtsausdruck weggewischt war, die Augen leer bis auf einen winzig kleinen Rest von Menschlichkeit.
Die Dunkelheit der Erinnerung drohte sie zu übermannen, aber dann wanderte eine Woge der Liebe über den gewundenen Strang des Bundes in sie, dieses magische Ding, dass sie an den Panther band, der sich auf der anderen Seite des Tisches niedergelassen hatte, seine langen Beine ausgestreckt und ihre umfangend. „Ich habe eine Geschichte,“ sagte er, die Aufmerksamkeit der Zwillinge auf sich ziehend. „Aber es ist gruselig.“
„Wirklich?“ Julian lehnte sich erwartungsvoll vor.
„Wir sind keine Babies,“ fügte Roman hinzu.
Lucas zog ein Gesicht. „Ich weiß nicht. Eure Mutter wird verrückt werden.“
„Bitte, Onkel Lucas!“
„Bitte!“
„Bitte! Bitte!“
„Bitte!“
Lucas gab einen ernsten Seufzer von sich und lehnte sich ein bisschen vor, die Unterarme auf die Oberschenkel gestützt. „Okay, aber ich habe euch gewarnt. Wenn ihr Albträume habt, dann beschwert euch nicht bei mir.“ Wenn man ihn so ansah, sein Gesicht nachgiebig, seine Stimme sanft, keiner würde ihn als eines der gefährlichsten Raubtiere in diesem Gebiet bezeichnen, ein Panther der seine Feinde mit bloßen Händen in Stücke zerreißen konnte.
Aber, dachte Sascha, er war dennoch der Alpha von DarkRiver. Außer zu der Zeit, wo er sich um die Bedürfnisse der zwei jüngsten Mitglieder seines Rudels kümmerte. Und um sie. Er sorgte auch für sie mit einer zurückhaltenden Unterstützung, die sie wissen ließ, dass er stets da war um ihr zu helfen, als sie dieses neue Leben, diese neue Welt für sich entdeckte.
„Es war einmal vor langer Zeit,“ sagte er, „da war eine Prinzessin…“
„Eine Prinzessin!“ Julians empörter Aufschrei, gefolgt von Roman’s finsterem Nicken.
Lucas knurrte tief in seinem Hals, was beide Leopardenjungen verstummen und sich ängstlich zitternd eng an Sascha kuscheln ließ. Sie wusste, es war alles nur Show, aber sie umarmte sie trotzdem.
„Wie ich schon sagte, da war eine Prinzessin. Sie lebte in einem Turm in der Mitte des Waldes und sie hatte sieben Diener.“
„Sieben?“ wagte Julian zu flüstern.
„Einer für jeden Tag der Woche,“ sagte Lucas. „An jedem Tag geht ein Diener in das nahegelegene Dorf und…“
„Und?“ Roman diesmal.
„Ich weiß nicht.“ Lucas runzelte die Stirn. „Das ist der richtig gruselige Teil. Seid ihr sicher, dass es euch dabei gut geht?
Es folgten zwei sehr schnelle Nicken.
Nickend lehnte sich Lucas näher, seine Stimme ein Flüstern. „Ihr müsst wissen, die Prinzessin hat richtig große Zähne, scharf wie Messer.“
Roman schnappte nach Luft, aber unterbrach ihn nicht. Julian war nicht so ruhig. „Wie die Wölfe?“
Lucas‘ Lippen bogen sich nach oben. „Genau wie die Wölfe.
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. Die Wölfe waren jetzt ihre Verbündeten. Unterdrücktes Lachen tanzte in seinen Augen, als er mit der Geschichte fortfuhr. „Die Prinzessin konnte mit ihren scharfen Wolfszähnen durch alles hindurch beißen – Fleisch und Knochen, Holz und Metall, sogar… durch die Schlafzimmertür von kleinen Jungen.“
Als die Jungen erneut schauderten, sah Lucas in Sascha’s weit aufgerissene Augen. In diesem Moment erschien sie so unschuldig wie Julian und Roman, ein Kind, dass zum ersten Mal dem Zauber einer Geschichte erliegt. Eine Flut von Zärtlichkeit strömte in sein Herz, aber dazu kam auch eine stählerne Entschlossenheit. Niemand würde sie je wieder verletzen, nicht so lange er lebte.
„Jetzt zurück zum Dorf – in dem Dorf, in das die Diener täglich gingen,“ erzählte er und führte die Geschichte weiter, „da lebte ein kleiner Junge. Jede Nacht, nachdem er die Schlösser an Fenster und Türen im Haus überprüft hatte, ging er schlafen.“
„Warum?“ fragte Sascha.
„So dass die Diener der Prinzessin ihn nicht kriegten,“ sagte er, als ob das offensichtlich sei.
„Aber warum?“ sein analytischer Psy erneut fragte.
„Weil,“ er zögerte, ließ die Spannung sich langsam aufbauen, und dann knurrte er die letzten Worte: „die Kannibalen-Prinzessin isst gerne kleine Jungen zum Abendessen.“
Seine Zuhörer – alle drei – hielten sich aneinander fest. Er musste fast lachen bei Sascha’s geschocktem Gesichtsausdruck. Sie wunderte sich wahrscheinlich, wie er dazu kam, dass er zwei kleinen Leoparden eine so blutrünstige Geschichte erzählte. Sein Lieblingskätzchen hatte noch nicht realisiert, dass Kinder weit aus wilder waren als Erwachsene.
„Ihr bevorzugtes Gericht war geröstete kleine Jungen mit Honigüberzug und Ananasstücken.“
„Lucas, vielleicht…“ begann Sascha.
„Schhh.“ Ertönten zwei kleine Stimmen. Vier Hände umfassten ihre Taille. „Mehr, Onkel Lucas.“
„Nun, manchmal mochte sie die Jungen auch gut gemästet, so dass sie sie in ihrer speziellen kleinen Vorratskammer gefangen hielt und sie fütterte mit Kuchen und Pasteten und….“
„… Wurst!“ fügte Roman hinzu.
„Ja,“ stimmte Lucas mit einem feierlichen Nicken zu. „Und in diese Speisekammer… voller Kuchen und Pasteten und Wurst, steckte sie den kleinen Jungen vom Dorf. Sie sagte ihm, dass er essen soll… so dass sie schließlich ihn essen konnte.“ Als er so dasaß und dieses köstliche finstere Märchen über einen Jungen erzählte, der alleine durch seine Gewitztheit die Kannibalen-Prinzessin besiegte, beobachtete er Sascha, fühlte ihre Liebe zu ihm und für die Jungs, welche sie alle seidenweich umschlungen hielt. Sie war sich nicht bewusst wie außergewöhnlich sie ist, alleine mit ihr in einem Raum zu sein, ließ die Menschen sich besser fühlen in Bezug auf ihr Leben, ihre Hoffnungen, einfach auf alles.
Und sie war sein.
Der Panther lächelte wohlgefällig über diese Gedanken, zeigte seine Zähne und beendete seine Geschichte mit einem Knurren und schnappte sich die Zwillinge und Sascha. Alle drei kreischten und dann kicherten sie. Julian und Roman gaben vor ihn beißen zu wollen, während Sascha ein strahlender Regenbogen in seinem Geist war. Vor ihm, ihr Gesicht war überzogen von einem Lachen, als die Leopardenjungen sich umdrehten, sich gegenseitig anschauten und entschieden, dass sie deren nächstes Opfer sein würde.
Zehn Minuten Schein-Ringen später, hielt sie lachend und kapitulierend ihre Hände hoch und erklärte sich selbst als „gegessen“.
***
In dieser Nacht im Bett drehte sie sich zu ihm und sagte, „Erzähl mir eine Geschichte, Lucas. Aber keine Kannibalen.“
Er seufzte, streichelte mit einer Hand an ihrem Rücken hinunter. „Ich kenne nur Kannibalen-Geschichten,“ neckte er sie.
„Bitte,“ sagte sie, die Zwillinge imitierend. „Bitte, bitte!“
Er küsste sie und erinnerte sich daran, wie sehr sie gehemmt war, als sie sich das erste Mal begegneten. Aber schon damals spürte er die Wildheit in ihr. „Wenn es keine Kannibalen sein dürfen, wie wäre es mit verwirrten Affen?“
Mit weit aufgerissenen Augen nickte sie.
„Bevor ich aber beginne… wann wirst du mir eine Geschichte erzählen?“
Sie hielt inne, überlegte. „Ich muss dazu erst mehr recherchieren.“ Ihre Hand lag auf seiner Brust. „Unterrichte mich.“
Der Panther schnurrte zustimmend… diese Frau war eine begabte Seelenpartnerin, diese Frau, die nie aufgab, egal welches Hindernis im Weg stand. „Wie wäre es“… er begann ihre geflochtenen Haare zu lösen… „ wenn wir die Geschichte gemeinsam erzählen.“
Ein langsames süßes, perfektes Lächeln erwärmte ihre Augen. „Es war einmal vor langer Zeit,“ flüsterte sie, „da war eine Prinzessin und sie lebte mit einem Panther.“
Zwei Tage später bekam Lucas einen Anruf von Tamsyn, in welchem er erklären musste, wie es dazu kam, dass ihre Leopardenjungen die Bedeutung des Wortes „Kannibale“ kannten.
Die Dusche
„Lucas!“ Sascha kam rutschend zum Stehen am Rande des Balkons vom Baumhaus. Sie schaute hinunter, wo ihr Seelenpartner trainierte, sein Körper vor Schweiß feucht glänzend.
Er schaute nach oben. „Du brauchst mich, Kätzchen?“
Immer, dachte sie, sie brauchte ihn immer. „Da stimmt etwas mit der Dusche nicht.“ Sie hielt das Handtuch zwischen ihren Brüsten etwas fester. „Das Wasser tröpfelt nur noch.“
Er grinste, sah genauso aus wie der Panther der er war. „Bist du nackt?“
„Nein.“ Technisch korrekt. „Dieses Handtuch ist sehr groß.“
Er blieb dort stehen, die Hände auf den Hüften und mit einem Blick in den Augen, dem sie nicht vertraute. „Sagen wir mal, ich repariere die Dusche, was bekomme ich dafür?“
Sie biss sich auf die Unterlippe. Mit Lucas zu spielen wurde ihr inzwischen zur zweiten Natur, jedoch hatte die Katze einen großen Vorsprung, was diese Art Spiele anbelangte. „Ein selbstgekochtes Essen.“
Er schauderte. „Nein danke. Deine Vorstellung von einem selbstgekochten Essen ist Schokoladenkuchen mit heißer Schokolade und danach Schokokaramellbonbons als Dessert.
„Was ist falsch daran?“
„Das ist kein Essen für Männer.“
Sie lächelte, sah ihn von oben nach unten an. „Mein Mann.“
„Ne-ne.“ Er schüttelte den Kopf, die Haare glitten über seine Schultern. „Darauf falle ich nicht herein. Nun komm schon, verhandle. Gestalte es etwas interessanter.“
„Ich werde dich bürsten, bis dein Fell richtig glänzt.“
Er blickte finster drein. „Mein Fell ist glänzend genug, vielen dank. Ich denke, du willst schmutzig bleiben.“
„Hmm.“ Sie lehnte sich an das Geländer. „Wenn du die Dusche reparierst, dann werde ich diese mit dir teilen.“
Er grinste, schüttelte jedoch erneut den Kopf.
„Okay, gut.“ Sie lenkte seufzend ein. „Ich werde die Liste mit den Sex-Stellungen aufsagen, die einst Teil meiner mentalen Trainingsübungen waren.“
Diese Liste war eine ihrer kleinen Rebellionen im Psy-Netz, ein winziger Weg die Bedürfnisse zu befriedigen, die sie nicht anerkennen durfte.
„Du wirst sie aufsagen, während ich deinen köstlichen Körper einseife.“ Seine Krallen fuhren aus und er begann den Baum zum Baumhaus hochzuklettern.
„Das könnte meine Konzentration stören.“
Er landete vor ihr auf seinen Füßen, ein Alpha-Panther mit sinnlichen Spielen in seinen Augen. „Dann komm, fang an zu rezitieren. Du weißt, wie mich das antörnt.“
„Du hast die Dusche noch nicht repariert.“ Ihre Augen verengten sich, als sie das Aufflackern von Selbstgefälligkeit einer Katze in seinem Verstand bemerkte. „Hast du es etwa mit Absicht kaputt gemacht?“
„Warum würde ich so etwas tun?“ Pure Unschuld.
Ihr Mund fiel offen. „Du bist… schamlos!“
„Nein, ich weiß nur wie man verhandelt.“ Er griff nach vorne und begann an ihrem Handtuch zu ziehen.
Sie hielt es fester, drängte ihn mit einem telekinetischen Stoß zurück. „Schwindler.“
Er grunzte vom Einschlag der Telekinetik und zog einfach härter. „Schlechter Verlierer.“
Sie ließ das Handtuch ohne Vorwarnung los. Er erstarrte auf seinem Platz. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging in das Baumhaus hinein… und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. „Wer ist jetzt der Verlierer?“
Er ließ das Handtuch fallen und blickte sie mit einem dunklen männlichen Ausdruck an. „Ich bin nicht erfreut.“
Sie wusste sehr gut, dass er sie nachäffte, da sie das manchmal zu ihm sagte. „Das ist mir egal.“ Sie drehte sich um und wich weiter zurück, sich sehr wohl bewusst, dass er dabei eine perfekte Aussicht auf ihre Rückseite hatte. Sie wackelte mit den Fingern und ging in das Schlafzimmer und dann in die Duschkabine. Da sie jetzt wusste, dass er diese sabotiert hatte, reparierte sie diese in kurzer Zeit… genau zum richtigen Zeitpunkt, um Lucas mit dem abnehmbaren Duschkopf abzuspritzen, als er hereinkam.
Ein Geschenk für Kit
(Diese Kurzgeschichte spielt nach „Gefangener der Sinne“ und vor „Sengende Nähe“.)
„Kit!“
Kit zog ein Kissen über seinen Kopf.
„Kit!“
„Was?“
Er spürte eine knisternde Energiewelle und dann wurde ihm das Kissen von seinem Kopf gerissen. „Nun steh‘ schon auf, kleiner Bruder.“
Er knurrte Rina wütend an. „Musst du unbedingt ein Frühaufsteher sein?“
„Musst du mich so nerven?“ Sie setzte sich auf sein Bett, fasste hinüber und wuschelte ihm durchs Haar.
„Hör auf damit, ich bin jetzt ein Soldat!“ Jedoch entzog er sich ihr nicht.
Rina grinste. „Mein kleiner Bruder, ein Soldat. Das lässt mein Herz gleich höher schlagen.“
„Ich beiße dich – nachdem ich ausgeschlafen habe. Jetzt hau ab!“
Stattdessen lehnte Rina sich über ihn und gab ihm einen schmatzenden Kuss auf die Wange. „Ach was, dafür liebst du mich zu sehr. Jetzt beweg‘ deinen faulen Hintern aus dem Bett, “ sagte sie, während sie sein Zimmer verließ.
„Warum? Ich habe heute keinen Dienst.“ Des Weiteren hatte er genügend Katze in sich, um einen freien Tag im Bett zu genießen. Besonders da es erst – er drehte sich ein wenig und sah auf die Uhr – sieben Uhr an einem Samstagmorgen war.
„Ich habe eine Überraschung für dich“, rief sie aus der Küche.
Das weckte sein Interesse. Sein Leopard war nicht so neugierig wie der von anderen, aber das Wort „Überraschung“ wirkte bei ihm wie Katzenminze, was Rina genau wusste. „Ist es eine Truppe nackter Tänzerinnen?“
„Vielleicht. Ich mache dir gerade Frühstück, also beeil‘ dich, bevor es kalt wird.“
Seine Augenbrauen hoben sich. Rina war knallhart gegenüber dem Rest der Welt, jedoch behandelte sie ihn wirklich wie ein Kleinkind – er wusste schon immer, dass sie für ihn durch die Hölle gehen würde. Trotz dieser engen Verbindung verwöhnte sie ihn jedoch niemals. Deshalb war das von ihr gemachte Frühstück eine Seltenheit. Jedenfalls selten genug, um ihn ernsthaft neugierig werden zu lassen.
Da er nun hellwach war, stand er auf, duschte schnell und zog sich eine Jeans sowie ein weißes T-Shirt an. Nachdem er sein Haar gekämmt hatte, beschloss er, dass er fertig war und folgte dem Duft von Bananen-Schokoladen-Pfannkuchen. „Oh Mann, “ sagte er und ging schnurstracks zu dem Teller, den Rina auf den Tisch stellte. „Was auch immer ich getan habe, um dich glücklich zu machen, ich verspreche, ab jetzt mache ich es jede Woche.“
Sie grinste und mit ihren langen, blonden Haaren, zusammengefasst in einem lockeren Pferdeschwanz, sah sie aus, als ob sie erst 15 Jahre alt wäre. „Wenn du irgendjemandem erzählst, dass ich so nett war, werde ich Spinnen in dein Bett legen.“
„Ha.“ Er schluckte den Bissen hinunter. „Ich habe keine Angst vor Spinnen.“
„Ja, ja, du bist ein harter Kerl.“ Sie glitt in den Stuhl ihm gegenüber und aß schnell ihr eigenes Frühstück. „Bist du fertig?“
Er nickte. „Da du gekocht hast, werde ich den Abwasch erledigen.“
„Das kann warten.“ Sie nickte mit dem Kopf in Richtung Tür und stand auf. „Lass uns fahren, Hübscher.“
Verwundert über ihre Stimmung, schnürte er seine Schuhe zu und folgte ihr. Als er zur Fahrertür ging, verdrehte sie die Augen und ließ sich auf den Beifahrersitz nieder. Er hasste es sich fahren zu lassen und obwohl Rina genauso dominant war wie er, empfand sie diese Sache nicht als wichtig genug, um sich darüber zu streiten. „Wohin?“
„Waterfall Alley.“
Bei dem Gedanken an das schöne Fleckchen Wald, das sie als Kinder immer so genannt hatten, lächelte er. Er setzte sich und startete das Auto.
„Also“, sagte er, während sie durch den morgendlichen Nebel fuhren. „Wie läuft es mit dem jungen Bengel, der auf dich steht?“
Sie stöhnte auf. „Halt den Mund.“
“Ihr beiden würdet ein süßes Paar abgeben – obwohl du ihm vielleicht ein paar Bewegungen beibringen müsstest.”
„Mach nur so weiter, Hitzkopf.“ Ihr Leopard machte sich in ihrer Stimme deutlich bemerkbar.
Lachend fuhr er weiter durch das atemberaubende Yosemitetal. Die Umrisse der Bäume waren durch den Nebel leicht verschwommen. „Erstattest du Dorian noch immer Bericht?“
„Klar.“
„Wie läuft es denn?“ Er wusste, dass sie Probleme mit Barker hatte. Der Typ hatte sich in sie verknallt und Rina war zu selbstbewusst, als dass sie Anweisungen von einem Mann entgegen nehmen würde, welcher ihr die Führung in anderen Bereichen des Lebens überließ.
Sie schnurrte vor Zufriedenheit. „Er geht mir ständig auf die Eier.“
„Ähm, Reen? Du hast keine Eier.“
„Wenn es nach einigen anderen geht, habe ich welche. Ziemlich große sogar.“ Sie grinste. „Dorian ist okay. Er kennt sich aus mit dem was er tut. Wenn ich so schießen könnte wie er…“
„Dafür hast du nicht die Geduld.“ Ein kalter und analytischer Teil seines Gehirns kannte die Stärken und Schwächen eines jeden Einzelnen in Dark River. „Jedoch hast du die Fähigkeiten und auch das Talent, um erfolgreich an vorderster Front zu kämpfen.“
„Das hat Dorian auch gesagt.“ Sie warf ihm einen durchdringenden Blick zu. „Du wirst erwachsen Kit-ten.“
Er knurrte.
Lächelnd lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück. „So etwas hättest du vor einem Jahr noch nicht gesagt.“
„Vor einem Jahr dachte ich noch, ich hätte es voll drauf.“ Er fuhr auf den ausgewiesenen Parkplatz, stieg aus und sie gingen den gewohnten Pfad entlang. „Ich liebe es hier draußen zu sein.“ Sein Leopard streckte sich glücklich und verspielt. „Wollen wir danach laufen gehen?“
„Sicher.“ Ihr Lächeln zeigte die Andeutung von Traurigkeit.
Er legte ihr einen Arm um die Schulter. „Hey, was ist los?“
„Noch nicht.“
Sie gingen schweigend nebeneinander her, bis sie zu einem umgefallen Baumstamm kamen, welcher immer ihr persönlicher Markierungspunkt gewesen war. Von hier aus konnten sie die ganze Schönheit des Tals überblicken, das noch in leichten Nebel gehüllt war.
„Als du noch klein warst“, sagte Rina, während sie neben ihm auf dem Baumstamm saß, „und ich 12 Jahre alt war, hat Papa mir etwas erzählt.“
„Ja?“ Kits Brust verengte sich bei der Erinnerung an das vertraute, grauhaarige Gesicht seines Vaters.
„Er sagte, dass er wusste, dass die Chance besteht, dass er und Mama nicht mehr da sein werden, wenn du erwachsen wirst.“
Kit nickte. In der heutigen Zeit lebten die Menschen länger als ein Jahrhundert, aber seine und Rina‘s Mutter war mit einem genetischen Defekt geboren worden, den nicht einmal die Wissenschaft des späten 21. Jahrhunderts heilen konnte. Sie hatte ihre beiden Kinder erst spät bekommen und lebte nur noch so lange, bis Kit 14 Jahre alt war. Sein Vater hatte nach ihrem Tod nur noch ein paar Jahre länger gelebt – gerade lange genug, dass Rina 18 Jahre alt wurde und um Lucas das Versprechen abzunehmen, dass es Kit und Rina niemals an etwas fehlen würde.
„Ich vermisse sie furchtbar“, sagte er. „Ich wünschte, Papa wäre jetzt hier, um mich sehen zu können, weißt du? Er würde bestimmt sehr stolz sein, dass ich zum Soldaten befördert wurde. Und Mama, sie würde uns immer noch verwöhnen, egal wie alt wir sind.“
Rina berührte seine Wange. „Sie hatten absolutes Vertrauen in dich.“ Sie griff in ihre Hosentasche und zog ein Paar silberner Hundemarken hervor.
Er starrte, als sie diese in seine Hände legte.
„Ich sollte sie dir geben, wenn du zum Soldaten befördert wirst.“
Die Gefühle übermannten ihn, als er die Gravur auf der ersten Marke las. „Wir sind so stolz auf dich, Sohn. Mama und Papa.“ Die zweite Marke verschwamm vor seinen Augen und er musste blinzeln, um seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen, so dass er lesen konnte, was auf ihr stand. Auf dieser Marke waren sein Name und sein Dienstgrad bei Dark River eingraviert und auf der Rückseite waren die Namen seiner Mutter, seiner Vaters und der von Rina. Seine Hand schloss sich um die Marken.
Als Rina aufstand und sich von dem Baumstamm entfernte, wusste er, dass sie ihm etwas Privatsphäre gewährte, um zu trauern, um sich an seine Eltern zu erinnern und um das Geschenk zu würdigen. „Danke“, flüsterte er in Richtung Himmel.
Als ob sie ihm antworten würden, fiel ein sanfter Blätterregen auf seine Schultern. Lächelnd legte er sich die Marken um den Hals, stand auf und ging hinüber zu Rina. „Du bist eine gute Schwester, Reen.“
Sie stieß ihm den Ellenbogen an. „Sch.“
Lachend hielt er eine Hand hoch. „Ich werde es niemandem sagen. Versprochen.“ Aber, dachte er für sich, der Mann, der ihr Herz gewinnen würde, konnte sich verdammt glücklich schätzen.
„Komm Quälgeist, lass uns laufen gehen.“
Kit zögerte. „Können wir das in Menschenform tun?“
Rina‘s Augen fielen auf die Hundemarken. „Sicher.“
Er konnte sie nicht immer tragen – sie waren viel zu wertvoll, als dass er es riskieren würde, sie während einer Verwandlung zu verlieren. Doch heute würde er sie tragen – und die Liebe seiner Eltern bei jedem sanften Aneinanderschlagen des Metalls spüren.
Ein kleiner Plausch
Die Kurzgeschichte schließt einige Zeit nach „Im Feuer der Nacht“ an.
Teijan kippte sich ein Bier hinter die Binde und blickte zu Zane, der Sand angenehm warm unter seinen nackten Füßen. „Aneca wächst unglaublich schnell.“
Der andere Mann lehnte an den Felsen und schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Ich blinzle nur ganz kurz und schon ist sie wieder ein Stück gewachsen. Ich trau mich fast gar nicht mehr wegzusehen.“
„Ich hätte niemals gedacht, dass du so ein hingebungsvoller Papa sein würdest.“ Sein Rattengefährte war so wild wie alle anderen auch, ein Tier, das nur mit Müh und Not in Zaum gehalten wurde von seiner menschlichen Seite. Bis er seine große Liebe gefunden hat. „Gott sei Dank, dass es Rissa gibt.“
Zane stieß mit seiner Flasche an Teijans an. „Für sie will ich der Mann sein, den sie in mir sieht.“
„Das gelingt dir sehr gut.“ Zane hatte sich vom Problemfall in Teijans rechte Hand gewandelt.
„So, dieses Bündnis mit den Katzen…“
„Jep.“
Zanes Augen glühten in der Nacht. „Das ist nicht so ganz, was wir erwartet hatten.“
„Nein.“ Die Wahrheit war, keine einzige Ratte hatte irgendetwas von dem Bündnis mit DarkRiver erwartet. Teijan hatte das Versprechen in gutem Glauben gemacht, in der Gewissheit, dass wenn er nicht zustimmen würde, DarkRiver die Ratten ein für allemal aus der Stadt vertreiben würde. Ein hartes Gesetz, das jedoch den Frieden unter den Raubtieren bei den Gestaltwandlern sicherstellte.
„In Bezug auf die Tunnel haben sie ihr Wort gehalten.“
„Ja.“ Eine Pause. „Das ist das erste Mal, dass wir einen Platz haben, der wirklich uns gehört.“
Teijan verstand. Trotz der Tatsache, dass sie schon länger als die Katzen in San Francisco waren, hatten sie niemals die Macht besessen, um über die gesamte Stadt zu herrschen. Ihr Zuhause war nie ein sicherer Ort gewesen, da sich alle stets bewusst waren, dass jederzeit ein größeres Raubtier kommen und sie ohne Warnung vertreiben könnte. „Ein dauerhaftes Zuhause – das klingt irgendwie nett.“
Seine Ratten, von denen eigentlich nur vier Gestaltwandler waren, kannten bis jetzt nur Chaos und Missachtung. Die menschlichen Ratten sind in den Untergrund gegangen, da die Oberwelt sie wie Abfall behandelt hatte. Er hat sie zusammen gehalten, aus ihnen eine feste Einheit geformt und sie am Leben erhalten. Er hätte jedoch nie geglaubt, dass dieses Bündnis, das er nur aus dem einen Grund machte, damit sie alle sicher wären, so vieles ändern würde. „Hast du das Fax gesehen, das gestern reingekommen ist?“
„Seit wann haben wir ein Faxgerät im Untergrund?“
„Klugscheißer.“
Ein Schnauben. „Ich hab es gesehen. Ist das wirklich deren Ernst?“
„Das Geld ist bereits auf dem Konto eingegangen.“
„Boah.“
Beide starrten eine Weile zu den Sternen hinauf.
„Nun“, sagte Zane schließlich, „wenn es ihnen wirklich ernst damit ist, würde es sogar ausreichen, um einige der Kinder in die Oberwelt für eine Ausbildung zu senden, die wir uns normalerweise nicht leisten könnten.“
„Es ist mehr als genug.“ Teijan hatte es bereits durchgerechnet. „Es würde bei dieser Zahlung sogar noch einiges übrig bleiben, um die Wohnbereiche im Untergrund weiter auszubauen.“
„Bei dieser Zahlung?“ Zane verschluckte sich. „Wie bitte?“
„Du hast nicht das ganze Fax gelesen, oder?“
„Aneca wollte Fangen spielen.“
Teijan grinste bei der Vorstellung, wie der wilde, taffe Zane mit seinem kleinen Mädchen Fangen spielte, während er ihn über alles andere informierte.
„Im Fax stand, dass wir eine prozentuale Beteiligung an allen Geschäften erhalten, die durch uns vermittelt wurden. Und solange diese Geschäfte Geld abwerfen, solange erhalten wir unseren Anteil. Und wenn neue Geschäfte hinzukommen…“
Zane atmete hörbar aus. „Mit DarkRiver werden wir viel Geld verdienen.“
„Wir haben ihnen schließlich auch dabei geholfen.“ Teijans Stolz auf seine Leute floss durch seine Adern. „Wir sind vor Ort und Stelle deren Augen und Ohren. Wir erfahren von günstigen Gelegenheiten vor allen anderen. Da ist es nur richtig, dass sie den Gewinn mit uns teilen.“
„Aber ich würde wetten, du hast nicht daran geglaubt, dass sie sich auch daran halten werden.“
Teijan schüttelte seinen Kopf. „Ehrlich gesagt? Ich habe niemals an so etwas überhaupt gedacht. Ich dachte, wenn sie uns nur in Ruhe lassen, dann wäre das schon ein guter Deal.“ Seine Leute waren schon mehr als genug verletzt und terrorisiert worden.
„Ich denke, die Katzen haben uns alle ganz schön überrascht.“ Zane lehnte sich zurück an den Felsen und sah zu den Sternen hoch. „Alle gehen jetzt mit erhobenem Kopf, sogar diejenigen, die einst Angst davor hatten in die Oberwelt zu gehen.“
„Wir sehen uns selbst jetzt als Teil von etwas Großem.“ Er hatte so viele gerettet, aber um das tun zu können, mussten sie sich verstecken, mussten sie eine Gesellschaft werden, die für sich blieb. Jetzt konnten sie sich der Welt öffnen und die Luft, die hereinströmte, war erfüllt von süßer, wunderschöner Hoffnung. „Das Ganze hat aber einen Haken.“
„Wenn die in den Krieg ziehen, gehen wir mit.“ Zanes Ton klang ernst. „Ich will für mein Kind und sein Recht auf Leben, als auch für meine Partnerin und ihr Recht auf Überleben kämpfen.“
„Das war schon immer so“, sagte Teijan. „Aber nun wollen auch diejenigen kämpfen, die keinen Partner oder keine Kinder haben.“
„Es geht nicht nur darum, unser Zuhause zu schützen“, sagte Zane leise. „Es geht darum, unseren rechtmäßigen Platz in der Welt zu sichern.“
Teijan nickte. Seine Ratten waren mehr als nur der Kaffeesatz der Gesellschaft. Sie entwickelten sich langsam zu einem der meist informierten und bestorganisierten Spionagenetzwerken im gesamten Land. Jedes Alphatier wäre Stolz darauf, sie sein eigen nennen zu können.
„Wer hätte gedacht, dass ein Rudel Katzen ihr Wort gegenüber einem Haufen Ratten halten würden?“ Zane sinierte.
Teijan lächelte. „Ich denke, wir werden die Katzenfallen nun doch nicht mehr brauchen.“
Übersetzer: Cordula M. Weiss
Die Qual der Wahl
Ein kleiner Einblick in Judd und Brennas Leben, wenn sie einmal einen Abend für sich haben und keine Angelegenheiten für das Rudel zu erledigen sind oder Feinde vor der Haustür stehen. Diese Geschichte spielt zeitlich einige Monate nach „Eisige Umarmung“ und kurz vor „Sengende Nähe“.
„Möchtest du zum Essen ausgehen?“
Brenna verkniff sich ein Lächeln bei dieser Frage, wusste sie doch, dass Judd sie nur gefragt hatte, weil er bemüht war, ein guter Lebensgefährte zu sein. Er hasste es, in einem Restaurant zu essen. Abgesehen davon, dass er ein Meister der Verkleidung war, die ganze Zeit über wäre er angespannt, würde ständig darauf warten, dass etwas passiert.
„Nein“, sagte sie, „lass uns zuhause bleiben und einen Film ansehen. Ich habe noch einige Tiefkühlpizzen, die ich in den Ofen schieben könnte und ein Salat dazu ist auch gleich gemacht.“
Sein Lächeln war zurückhaltend, jedoch wundervoll. „Welchen Film möchtest du dir ansehen?“
Es zog ihr das Herz schmerzhaft zusammen, dass er keine Geheimnisse vor ihr hatte, obwohl er dazu erzogen worden war, niemanden zu vertrauen. „Such du einen aus.“
„Du stehst ja auf diese Herzschmerz-Romanzen, die dich immer zum Weinen bringen.“ Die letzten Worte klangen in einem etwas verwunderten Tonfall. Sie schüttelte den Kopf, als sie die Pizzen aus dem Ofen holte und auf der Anrichte abstellte. „Nein, ich möchte, dass du einen Film aussuchst, der dir gefällt.“ Ein kleine, viele würde sagen unbedeutende Angelegenheit, aber diese Menschen verstanden nicht, dass ihr Lebensgefährte sein Leben lang im Schatten gelebt hatte und gezwungen war, seine eigene Persönlichkeit zu unterdrücken und unter einem dicken Panzer aus Eis zu verstecken. Der Eispanzer ist für sie geschmolzen, aber das bedeutete nicht, dass dabei keine Narben zurückgeblieben waren. Für Judd war Spaß immer noch ein neues Konzept.
Er sagte kein Wort, als er zum Kommunikationsbildschirm ging und eine Liste mit aktuellen Neuerscheinungen aufrief. Er war dabei so ernst, dass sie ihn einfach nur umarmen und bis zum Umfallen küssen wollte. Wofür er sie im Gegenzug sehr schnell ausziehen würde. Denn auf diesem Gebiet, war Judd definitiv ein Meister seiner Kunst – obwohl er sich bis heute geweigert hatte, die Quelle seines Wissens zu enthüllen.
„Hier.“ Er hatte eine Auswahl am Bildschirm getroffen, den er zur anderen Wand gebracht hatte, so dass er direkt vor der Couch hing.
Mit den Händen auf den Hüften gestützt, ging sie zu ihm hinüber. „Wirklich? Du willst dir eine Liebeskummer-Schmonzette aus dem Bürgerkrieg ansehen?“
„Ja.“
„Lügner.“ Er hatte etwas ausgewählt, von dem er dachte, dass es ihr gefallen würde. „Es soll etwas sein, das du dir aussuchen würdest.“
„Woher willst du wissen, dass wir nicht auf die gleichen Filme stehen?“
Er sträubte sich mit Händen und Füßen. Sie kannte ihn nur zu gut in dieser Stimmung. Wenn sie ihn zu weit trieb, würde er sich schlichtweg weigern, eine andere Wahl zu treffen – so war das nun mal mit Judd. Er war sexy, stark und er liebte sie so sehr, dass sie es mit jeder Faser ihres Körpers spürte, aber der Mann hatte die Sturheit gepachtet.
„Liebling, komm her.“ Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände, blickte in seine dunklen, schokobraunen Augen, in denen goldene Flecken wie Sonnenlicht schimmerten. „Ich möchte, dass du Spaß daran hast.“
Sein Gesichtsausdruck wurde sanfter, als er seine Hände auf ihre Hüften legte. „Ich genieße es, bei dir zu sein.“
„Ich weiß.“ Beide, Frau und Wölfin, genossen es auch mit ihm zu schmusen. „Ich denke, ich möchte etwas sehen, dass auch dir gefällt.“ Somit könnte sie eine neue, bisher noch versteckte Seite an diesem wundervollen, vielschichtigen Mann entdecken, der zu ihr gehörte.
Judd zögerte. „Ich weiß nicht, was mir gefällt.“
„Das ist schon okay.“ Ihre Hände glitten zu seiner Brust hinab und sie stibitzte einen kleinen Kuss, bevor sie zum Bildschirm ging und ein anderes Videotext-Menü aufrief. „Diese werden als Filme für Jungs bezeichnet. Und nachdem du ein Junge bist, such dir einen aus, von dem du glaubst, dass er dich interessieren könnte.“
Mit einem Glitzern in den Augen ging er zum Bildschirm und sah sich sorgfältig die Auswahl an. „Dieser.“
Die Inhaltsangabe zeigte ein Foto von einem Kerl im Regenwald, mit einer Machete in der einen Hand und um den anderen Arm eine Schlange gewickelt, die eher wie ein Macho-Armband für Arme aussah.
Brenna lachte. „Genau, den sehen wir uns an.“
Der Film war schrecklich. Einfach nur entsetzlich. Alles was man bei einem Film falschen machen konnte, wurde falsch gemacht, angefangen bei der Regie, der Produktion, der Kulisse, den Schauspielkünsten – allerdings wurde den Hauptdarstellern nicht gerade geholfen mit solch grausamen Sätzen wie „Ich muss das Gift des Schlangenbisses aus deinem Busen saugen, Puppe.
Das ist deine einzige Chance zu überleben, also leg dich hin und lass den Experten ran.“ Nicht mal die Schlangen konnten den Film noch retten. Judd zufolge, und sie weiß nicht, woher er das wusste, sind die Reptilien, die als super-furchteinflößende Monster verwendet worden sind, überhaupt nicht giftig. Sie hatte Seitenstechen vor lauter Lachen, als der Film endlich zu Ende war. „Zumindest hatte er tolle Bauchmuskeln“, sagte sie, als sie sich die Tränen vom Gesicht abwischte, während der Abspann lief.
Ein leichtes Heben der Augenbrauen kam als Reaktion von dem Mann, der neben ihr ausgestreckt auf dem Sofa lag – ein Sofa, das irgendwie sein Tk überlebt hatte. Sie kannte diesen Blick. Er sagte: Wieso bewunderst du den Körper eines anderen Mannes?
„Ach, komm schon“, stichelte sie. „Sag mir nicht, dass dir der Vorbau der Nebendarstellerin nicht aufgefallen ist?“ Eine Nebendarstellerin, deren Hauptaufgabe darin bestand, ihre Brüste aus dem unanständigen Bikini fallen zu lassen – warum sie am Amazonas überhaupt einen Bikini trug, war eine ganz andere Sache – und ständig wie am Spieß zu kreischen. „Besonders dann, als er sie „retten“ musste, indem er heldenhaft an ihrem Busen saugte.“
„Es fiel mir auf, dass ihr Vorbau sich nicht bewegt hat“, sagte Judd in einem kühlen Ton. „Hierfür gibt es keine Entschuldigung, nachdem gute Schönheitsoperationen heutzutage äußerst günstig zu haben sind.“
Sie verschluckte sich am Wein, an dem sie gerade genippt hatte. Mit lachenden Augen klopfte ihr Lebensgefährte ihr sacht auf den Rücken, bis sie wieder atmen konnte, obwohl sich seine Mundwinkel dabei nur minimal nach oben verzogen.
Auf ihn zeigend sagte sie: „Das war der Brüller, Judd Lauren.“ Und manche Leute dachten, dass er keinen Sinn für Humor hatte. Ha!
Während er nach der Fernbedienung griff, zog er sie an seine Seite, so dass sie sich ankuscheln konnte und sah sich erneut den Videotext an. „Dieser.“
„Oh Gott“, murmelte Brenna in gekünsteltem Horror, als sie den gleichen Kerl sah, der gerade gegen tödliche Mutanten-Schlangen gekämpft hatte und jetzt seine Zähne fletschte und gegen einen – höchst unwahrscheinlich – Säbelzahntiger antrat. „Ich habe ein Monster geschaffen.“ Judd küsste sie heiß und heftig. „Das war doch deine Absicht.“
Schamlos streckte sie ihren Hals für einen weiteren Kuss. „Ja, und ob.“ Sie schnappte sich die Fernbedienung, startete den Film und machte es sich gemütlich, eine Hand über sein Herz gelegt. Es gab keinen Platz, an dem sie lieber wäre und niemanden, mit dem sie lieber zusammen wäre.
Übersetzer: Cordula M. Weiss
Ein Unterricht zum Heulen
Diese Szene war eigentlich für „Wilde Glut“ geschrieben, jedoch denke ich, dass sie auch ganz gut als lustige Kurzgeschichte funktioniert. Ich hoffe, sie gefällt Euch!
Einige Stunden nach ihrer Diskussion mit Hawke, blickte sich Indigo auf der Lichtung um und fühlte, wie sich ihr Herz mit Stolz füllte. Die jungen Rekruten, die in einem lockeren Halbkreis, angelehnt an den Bäumen mit ausgestreckten Beinen saßen, waren alle stark, klug und ehrenhaft. Sie würde sich glücklich schätzen, im Kampf einen jeden von ihnen an ihrer Seite zu haben.
„Taktik“, begann sie, nachdem es sich alle bequem gemacht hatten. „Ich weiß, die meisten von euch wollen…“ Innehaltend legte sie ihren Kopf leicht schräg und runzelte die Stirn, als der Wind ein unerwartetes Geräusch mit sich trug. Es klang wie ein Kind – jedoch war dieses Gebiet für Kinder nicht zugänglich, es sei denn, sie wurden von einem Erwachsenen begleitet. Sie blickte zu Tai und nickte ihm zu, dass er mit der Diskussion schon einmal beginnen sollte, während sie nachforschte, woher das Geräusch kam. Der junge Mann übernahm die Aufgabe mit einer Selbstsicherheit, die ihr zeigte, dass er bald dazu bereit sein würde, in den Rang eines Soldaten befördert zu werden.
Sie machte sich in Gedanken eine Notiz, die Angelegenheit mit Riley zu besprechen. Zudem dachte sie darüber nach, wer von den anderen auch schon bereit ist, den „Abschluss“ zu machen. Charlie war nahe dran, allerdings hatte das Mädchen ein Problem, ihr Temperament zu zügeln. Auf der anderen Seite, auch Jem war einmal so gewesen – jedoch in die richtigen Bahnen gelenkt, könnte sie durchaus Stärke daraus ziehen.
Eine geile Versuchung in Form von Drews Duft umgab sie, bevor sie ihn neben einem kleinen Wolfswelpen, mit weichem Fell und einer unschuldigen Ausstrahlung, hocken sah. Sie erkannte sofort, dass es sich um Ben handelte. Obwohl Drew sie bemerkt haben musste, sah er nicht in ihre Richtung, deshalb lehnte sie sich mit der Schulter gegen einen Baum und beobachtete die beiden, während sie versuchte herauszufinden, was in aller Welt die da überhaupt machten. Ben legte seinen Kopf zurück, atmete tief ein und machte dann ein scharfes, pfeifendes Geräusch.
Der Ausdruck von Scham in seinem Gesicht brachte Indigo zum Lächeln, jedoch konnte sie dies rechtzeitig unterdrücken. Ja, er war zwar noch ein kleiner Junge, aber dennoch war da auch schon der Mann in ihm. Stolz war etwas, das anscheinend fest im Y-Chromosom verankert war.
„Das war schon besser“, sagte Drew, eine Hand auf den Rücken des Welpen gelegt, „aber der Ton muss von tiefer kommen.“ Er hob seinen Kopf, atmete tief ein und ließ los. Die unvergessliche Musik des Heulens eines Wolfes hallte über die Bäume. Der Klang war nicht annähernd so laut, als wenn er aus einer Wolfskehle kam, aber er war dennoch kraftvoll genug. Mehrere Rudelmitglieder antworteten aus allen Richtungen und es ließ die Haare in Indigos Nacken zu Berge stehen, als ihre Wölfin sofort bereit war, in das freudige Singen mit einzustimmen. Ihre Wölfin verstand jedoch, dass dies ein Unterricht war und stimmte zu, Schweigen zu bewahren.
„Siehst du?“ sagte Drew, als er Ben in die Augen schaute. „Es muss von Herzen kommen. Gib dich ganz deinem Wolf hin.“
Ben nahm einen weiteren tiefen Atemzug, hielt die Luft an und hob seinen Kopf. Das Heulen, das dabei herauskam, wurde abrupt von einem Jaulen unterbrochen. Anscheinend hatte sich der Welpe über sich selbst erschrocken. Drew begann zu lachen, auch dann, als die Rudelmitglieder erneut antworteten, dieses Mal allerdings in einem besorgten, fragenden Tonfall. Während sie die beiden beobachtete, antwortete Drew und teilte mit, dass alles in Ordnung war.
Ben windete sich in diesem Moment unter Drews Hand hervor und rannte zu Indigo hinüber, geradezu platzend vor lauter Stolz und Aufregung. Sie bückte sich und streichelte ihm sanft über die Ohren. „Sehr gut gemacht, Ben.“
Er drückte seinen Kopf gegen ihre Hand, hob diesen dann an, um ihr seine Kehle zu zeigen. Dies war ein aktives Zeichen von Unterwerfung, ein Hinweis, dass er spielen wollte. Sie lehnte sich zu ihm hinab und rieb ihre Nase gegen seine, als Zeichen der Zuneigung. „Ich muss jetzt arbeiten, aber später werden wir spielen, okay?“
Drew hob den Welpen hoch, als sie aufstand. „Lass dich nicht von ihm reinlegen – er hat schon eine Verabredung zum Spielen mit Marlee.“
Als Ben sein Gesicht an Drews Brust versteckte, begann Indigo zu lächeln. Das war in dem Moment, als Drew seine Hand ausstreckte, sie an sich zog und mit so einer Gründlichkeit küsste, dass heißer Dampf aus ihren Ohren kam.
„Hallo Leutnant“, sagte er danach.
Übersetzer: Cordula M. Weiss
Weihnachten in der Küche
Dorian war ein hochqualifizierter Architekt mit magischen Fähigkeiten am Computer und der Lizenz zum Fliegen. Außerdem war er ein Scharfschütze, der mit kaltblütiger Genauigkeit schießen konnte, trainiert mit einem ehemaligen Auftragskiller der Medialen und war schon von mehr als einer Person als Streber bezeichnet worden. Keiner davon hatte ihn jemals dabei beobachtet, wie er versuchte mit einem Abfluß klar zu kommen.
„Mist,“ murmelte er zum dritten Mal in Folge, als das Rohr ihm ins Gesicht tropfte.
„Ich glaube das zählt immer noch als schlimmes Wort,“ sagte sein Sohn, der vor dem Spülbecken kniete und mit einer Taschenlampe in den dunklen Raum darunter leuchtete.
Dorian wischte sich das Wasser und gleichzeitig die weißblonden Haare aus dem Gesicht und drehte den Schraubenschlüssel noch einmal. „Bespitzelst du mich?“ Es war ein Flüstern.
„Neee.“ Keenan schüttelte den Kopf und flüsterte zurück. „Männer halten zusammen.“
Dorian’s Leopard grinste den Jungen an, der abgesehen von der Genetik auf jede Art zu ihm gehörte, und das letzte hatte für seine Katze keine Bedeutung. Sie wußte nur, daß es an ihr lag, dieses Junge zu beschützen und großzuziehen.
„Das ist richtig.“ Er legte den Schraubenschlüssel weg und wartete auf den nächsten Tropfen. Nichts.
„Schnell, laß uns verschwinden, bevor es sich entschließt sich nicht mehr zu benehmen.“
Er rutschte zurück, stand auf und trotz seiner Worte kontrollierte er alles noch einmal, ob es auch das tat, was es tun sollte.
„Gute Arbeit, Partner,“ sagte er und streichelte über Keenan’s Kopf, die dunklen, seidigen Haare seines Sohnes glitt durch seine Finger. „Ich glaube, wir haben uns Kekse verdient.“
Ashaya sah von der Theke gegenüber dem Spülbecken auf, wo sie die besagten Kekse glasierte, das Braun ihrer Haut leuchtete im Licht des frühen Nachmittags. „Ich glaube, Keenan hat sich einen verdient, aber ich weiß nicht, ob du auch, Wunderknabe.“
Er zeigte seiner Gefährtin mit einem spielerischen Knurren die Zähne. „Bring mich nicht dazu, dich zu beißen, Shaya.“
„Mein Grauen kennt keine Grenzen.“ Überraschend Blasse, blaugraue Augen strahlten vor Lachen als sie sich bückte, um einen grinsenden Keenan zu knuddeln.
„Verräter.“ Er schnappte sich den Jungen in eine Umarmung als Ashaya wieder aufstand und setzte ihn auf die Theke neben dem Tablett mit den Keksen.
„Schmutzige Hände,“ sagte Ashaya und wischte Keenan’s mit einem feuchten Tuch sauber bevor sie ihm erlaubte, sich einen Keks auszusuchen.
Dorian, der sich die Hände am Spülbecken gewaschen hatte, daß er gerade repariert hatte, kam wieder heran um seine Arme von hinten um Ashaya zu schlingen und rieb seine Nase an ihren Locken bis sie dem Haarknoten entkamen, in die sie sie an diesem Morgen gebunden hatte. Er hatte sie dabei beobachtet während er in ihrem Bett gelegen hatte um mit einem pyjamatragenden Keenan Cartoons anzuschauen. Und selbst dann hatte er schon geplant diese ordentliche Kreation zu zerstören.
„Dorian!“ eine lachende Ermahnung.
Ohne Reue hob er eine Hand um die ganze Masse zu befreien, wilde Locken sprangen in alle Richtungen.
„Hübsch,“ sagte er und drückte seinen Kiefer an ihre Schläfe, sein Leopard unendlich fasziniert von der lebendigen Kraft ihrer Haare. Manchmal, wenn er in Leopardenform war und sie neben ihm vor dem Lazfeuer lag, schlug er einfach danach, nur um sie zurückfedern zu sehen.
„Gib mir jetzt meinen Keks.“ Er drückte sie um ihr zu zeigen, daß er es ernst meinte, während er gleichzeitig in ihren Nacken biß.
„Zuckerjunkie.“ Sie reichte ihm einen dick glasierten Keks. „Es ist die perfekte Mischung aus Nährstoffen und Ungesundem.
Ich habe mit Vitaminen versetztes Mehl und Gemüseproteine benutzt.“ Sie fing seinen zweifelnden Blick auf und lachte.
„Mach dir keine Sorgen – und wirst nichts anderes als Schokolade, Zucker und Fett geschmecken.“
Er nahm einen Bissen, um sich zu vergewissern. „Dann nehme ich dir die Backlizenz nicht weg,“ sagte er mit gespielter Feierlichkeit, voller Überraschung, daß seine Gefährtin diese häusliche Aktivität mit solchen Enthusiasmus angegangen war.
„Warum macht dir Kochen soviel Spaß?“ fragte er und zog vorsichtig an einer Locke während Keenan mit den Beinen strampelte und den Guß von seinem Keks leckte.
„Es ist eine kreative Betätigung,“ sagte Ashaya, „und es ist gut, wenn ich mich für so etwas interessiere.“ Eine unterbewußte Erinnerung daran, daß eine solche Spielerei in der eisigen Falle des Medialnetzes nicht gestattet war.
„Aber,“ fügte sie hinzu, „das hier ist eine kreative Aufgabe mit Ordung – Rezepte haben feste Zutaten und obwohl Experimente erlaubt und gewollt sind, kann man die Ergebnisse schnell bewerten. Es beruhigt mich, mach mich glücklich.“
„Zum Glück für mich und Keenan.“ Und das gelegentliche Rudelmitglied, das die Speisekarte gewittert hat. Lustig, wie oft das passierte.
Er nahm sich einen zweiter Keks, küsste sie auf die Wange und trat zurück, um sich neben dem sitzenden Keenan an die Theke zu lehnen. „Deine Kekse sind sogar besser als Tamsyn’s,“ sagte er und nannte so die Heilerin des Rudels.
„Charmeur.“ Ein erfreutes Lächeln. „Warte bis du siehst, was ich gemacht habe solange ihr Cartoons angeschaut habt.“
Gespannt warteten er und Keenan als sie die Abdeckung eines kleinen Stauraumes am einen Ende der Theke öffnete und ein Blech mit einem vielfarbigen Angebot an Cupcakes herauszog. Sie nahm zwei und reichte jedem einen, zusammen mit einem Kuss auf die Wange für Keenan und demselben für Dorian. „Für meine starken, fähigen Männer.“
Dorian wollte sie gerade in ein viel erwachseneren Kuss ziehen als ein bekanntes Gesicht im hellen Rechteck der offenen Hintertür auftauchte. „Rieche ich Kekse?“ Kit schlenderte herein, die Augen starr auf die Backwaren gerichtet.
Ashaya richtete einen Finger auf den muskulösen jungen Mann, brachte ihn zum erstarren. „Ein Keks, ein Cupcake.“
„Nehm ich.“ Er griff zu, und faßte hinüber um Keenan’s Haar zu zerzausen, seine eigenen dunklen rotbraunen Strähnen waren vom Wind zerzaust. „Hey, kleiner Mann. Warum hortet deine Mama die Kekse?“
„Sie sind für die Weihnachtsfeier des Rudels morgen,“ erklärte Ashaya ihm, ihr strenger Blick wurde allerdings von der Zuneigung in ihrem Blick Lügen gestraft. „So langsam verstehe ich warum Tammy mir gesagt hat, ich solle zweimal soviel backen, wie ich mitbringen will.“
Kit stemmte sich auf die Theke neben dem Spülbecken hinauf und verspeiste den Cupcake mit zwei Bissen. Vor nicht allzulanger Zeit hatte Dorian den jungen Soldaten buchstäblich aus einer Bar geworfen, weil Kit so betrunken gewesen war. Vorher hatten Dorian und ein anderer Wächter eine Kampf beendet in dem Kit ein Rudelmitglied blutig geschlagen hatte. Aber der Jugendliche war zwischenzeitlich auf viele Arten gewachsen und war jetzt einer der gefestigsten jungen Soldaten im rudel, seine Kraft nicht nur in einem Körper, sondern auch in einem Willen und seiner Loyalität.
„Ich mag dein Hobby,“ sagte Kid jetzt zu Ashaya, biß in den Keks und versuchte sich an einem langsamen Lächeln, von dem Dorian nur zu genau wußte, daß es schon mehr als ein Mädchen dazu gebracht hatte, Kit in die Bäume zu folgen. „Dieser Keks ist fantastisch.“
„Vergiß es,“ sagte Ashaya mit einem Lachen. „Ich lebe mit einer Katze zusammen, dass weißt du schon, oder? Ich weiß alles über hinterhältigen Charme.“
Kit warf Dorian einen mißmutigen Blick zu. „Du hast es für uns alle versaut.“
„Such dir eine eigene Frau, Kätzchen.“
Keenan lachte süß und spitzbübisch als Kit knurrte, ein Tropfen Glasur hing an seiner Nase. Dorian schlang einen Arm um den Hals des Jungen und wollte gerade so tun als würde ob er sich den halbaufgegessenen Cupcake schnappen, als er mehrere bekannte Witterungen wahrnahm, dicht gefolgt vom Geräusch kleiner Füße die auf den heruntergefallenen Tannennadeln draußen heranrannten.
Er ließ Keenan los, um Noor in die Arme zu nehmen, als sie ins Haus rannte, ihre Zöpfchen mit leuchtend orangen Bändern zusammengebunden und drückte einen Kuss auf die Wange des kleinen Mädchens bevor er sie neben Keenan auf die Theke setzte. Die beste Freundin seines Sohnes strahlte, ihre wunderschönen dunklen Augen offen und völlig arglos.
„Willst du was?“ fragte Keenan und bot Noor einen Bissen von seinem Cupcake an. Nickend biß sie zu und verkrümmelte ihre Jeanslatzhose die sie über einem hübschen blauen Pullover trug.
„Lecker.“ Als Shaya ihr einen violett glasierten Cupcake reichte, fügte sie ein glückliches „Dankeschön.“ Hinzu und drehte sich sofort zu Keenan um, bot ihm einen Bissen an. „Deiner war grün. Der hier wird anders schmecken.“
„Meinst du?“ fragte Keenan und als Noor nickte, griff er zu. „Das schmeckt nach Trauben!“
Dorian’s Blick traf Ashaya’s über den beiden kleinen Köpfen und wußte, daß sie dasselbe dachte wie er: Das es gut war zu sehen, wie die Kinder, außergewöhnlich und einzigartig, sich wie die Babys benahmen, die sie waren. Es war die Ehre und das Privileg des Rudels sicherzustellen, daß Keenan und Noor die Chance hatten geliebt und umsorgt aufzuwachsen, ihre unglaublichen Fähigkeiten sich in normaler Geschwindigkeit entwickeln konnten.
„Hey,“ erklang dann eine weitere männliche Stimme von der Türe her, „wieso kriegt der Winzling Kuchen?“ Jon’s leuchtend violette Augen, die in einem erstaunlichen Kontrast zu seinen weißgoldenen Haaren standen, blickten sich streng um. „Hast du Kuchen bekommen?“ fragte der Teenager Kit.
Kit schenkte ihm ein selbstgefälliges Lächeln als Talin und Clay hinter dem Jungen auftauchten. Dorian’s Wächterkollege und seine Gefährtin folgten Jon in die Küche, gingen um die Theke herum und setzten sich auf die Stühle auf der anderen Seite, während Jon sich neben Kit an das Spülbecken lehnte. Als Noor anbot ihren Cupcake zu teilen lächelte der Junge überraschend süß und sagte, „Ist okay, Prinzessin. Der gehört dir.“
Dorian fand Clay’s Blick. “Gut dich zu sehen.“
Der grünäugige Wächter schlug mit ihm ein.
„Ich habe versucht einen Kuchen für die Party zu backen,“ sagte Talin zu Ashaya, „ aber er ist in der Mitte zusammengesackt. Er war so schlecht, daß ich ihn wegwerfen wollte-„
Kit gab erstickende Geräusche von sich.
„- aber Jon ist damit abgehauen.“ Ein lachender Blick zu dem Teenager, den das Paar in seine Familie aufgenommen hatte.
Als Ashaya sich zu Jon umdrehte, klaute Clay mit katzenhafter List zwei Cupcakes und warf einen dem Teenager zu. Als Ashaya sich wieder herumdrehte täuschte der dunkelhäutige Wächter Unschuld vor und starrte den Cupcake vor ihm an, als könnte er sich nicht erklären, wie der jetzt plötzlich aufgetaucht war.
Dorian unterdrückte ein Lachen. Clay war immer so ernst gewesen, auf gefährliche Weise zu nah an seinem Leoparden, bis sich alle Sorgen gemacht hatten, daß nicht mehr aus der Dunkelheit auftauchen würde – ihn jetzt spielen zu sehen brachte Dorian’s eigenen Leoparden dazu mit leuchtend weißen Zähnen zu grinsen.
Ashaya’s Lippen zuckten und sie warf die Hände hoch. „Wenn ihr schon alle meine Cupcakes und Kekse vernichtet, müsst ihr mir helfen, die zweite Fuhre zu glasieren.“
Noor und Keenan, die sich in ihrer eigenen Sprache unterhalten hatten, die Erwachsene einfach nicht verstehen konnten, klatschten bei dieser Idee und ziemlich bald war die Küche mit Gelächter und Farbe und Zucker gefüllt. Jon und Kit saßen gutmütig am Küchentisch um Keenan und Noor bei ihren Werken zu helfen – wobei allerdings die Hälfte in den bodenlosen Mägen der jungen Männer landete, während Ashaya anbot Talin zu helfen, einen Kuchen zu backen, der nicht zusammenbrach.
„Ich habe schon mehrfach damit herumexperimentiert,“ sagte sie, als sie das Rezept heraussuchte.
Talin rollte ihre Schultern, ihre hellbraunen Haare waren mit einer Schleife in derselben Farbe wie Noor’s zusammengebunden – obwohl Talin’s Schleife wackelig war, als ob sie von kleinen Händen gebunden worden war. „Okay,“ sagte sie. „Zeig mir, was ich tun muß.“
Während Ashaya und Talin sich weiter unterhielten, nahm sich Dorian für sich und Clay einen Kaffee und ging um die Theke herum um sich auf den Stuhl neben den anderen Wächter zu setzen. „Hättest du vor ein paar Jahren,“ murmelte er in einem geflüsterten Tonfall, der nur für Clay zu hören war, „das hier vorsehen können?“
Die Augen des Wächter’s ruhten auf der Frau, die seine Gefährtin war. „Ich glaube nicht, daß ich überhaupt gewagt hätte so groß zu träumen.“
„Jap.“ In seinen wildesten Träumen hätte sich Dorian nicht vorstellen können, daß er einmal so geliebt werden würde, daß es ein ruhiges, intensives Pulsieren in ihm war, das Herz seiner Shaya mit seinem eigenen verbunden. Und Keenan – wie hätte er jemals wissen sollen, was es für ihn bedeuten würde ein Vater zu sein, das Vetrauen eines Unschuldigen in seinen Händen zu halten? Es erschreckte ihn immer noch manchmal, was für Geschenke er bekommen hatte.
„Hat Tamsyn dich wegen dem Baum angerufen?“ fragte Clay in die kameradschaftliche Stille zwischen ihnen.
Dorian grinste. „Sie hat gesagt, daß ihre Zwillinge letztes Jahr die Kabel durchgebissen haben, darum hat sie mich gebeten, ein neues Bündel Lichter zu besorgen.“
Die Heilerin des Rudels hatte vor über zwei Jahrzehnten die Tradition eines riesigen Rudelweihnachtsbaumes ins Leben gerufen und sie hatte Schmerz und Verlust und Zeit überdauert.
Als Clay seinen Kopf amüsiert schüttelte, neigte Dorian seinen Kopf fast unmerklich zu Jon. „Wie geht es ihm?“ Der Junge hatte Dinge erlebt, die erwachsene Männer gebrochen hätten.
„Er hat sich eingelebt, hat einige grundsolide Freundschaften geschlossen.“ Clay’s Tonfall enthielt ruhigen, tiefen Stolz. „Und er ist großartig zu Noor – wenn es nach ihr geht, ist er ihr großer Bruder und damit hat es sich. Er hält sogar Teepartys mit ihren Puppen in ihrem kleinen Baumhaus, daß ich ihr gebaut habe, aus, obwohl er sich reinquetschen muß.“
Dorian lachte leise, so stolz auf den Jungen wie Clay. Nachdem was Jon überlebt hatte, hätte ihm niemand einen Vorwurf gemacht, wenn er zuviel Angst gehabt hätte, sich um das verletzliche Herz eines Kindes zu kümmern. Das er die häßlichen Dinge, die ihm passiert waren, überwunden hatte, gelernt hatte, wieder zu lachen, sprach für eine Stärke, die ihm, in den kommenden Jahren sehr weiterhelfen würde.
„Mit Kylie mußte ich dasselbe tun,“ sagte er, wenigstens fähig über seine verlorene Schwester zu sprechen, ohne von der Wut über ihr gestohlenes Leben überwältigt zu werden. Ihr Verlust schmerzte immer noch, aber er versuchte jetzt sich an die guten Zeiten zu erinnern, versuchte daran zu denken, wie sie es genossen hätte, eine Tante für Keenan zu sein, eine Schwägerin für Shaya. „Dann hat sie mich das Spiel aussuchen lassen und ich habe ihre Puppen mit meinen Actionfiguren in den Dschungel geschickt.“ Die armen Puppen seiner Schwester hatten immer schreckliche Schicksale durch Alligatoren und Anacondas erlitten nur um für das nächste Abenteuer wieder aufzuerstehen.
„Weißt du was?“ Clay hatte einen überraschten Gesichtsausdruch. „Ich hatte das bis jetzt vergessen, aber ich habe mit Tally auch Tee aus winzigen Tassen getrunken, als wir Kinder waren. Sie hatte diese Stoffpuppe und sie war sehr streng, daß ich meinen Tee nicht schlürfen durfte, bis ihre Puppe auch ihren hat.“
Dorian mußte bei dem Gedanken an den großen, oft stillen Clay lachen, der geduldig wartete bis eine Puppe ihren Tee hatte. „Frauen – was tun wir nicht alles für sie.“
„Da wir grade von Frauen reden“ – Clay senkte seine Stimme sogar noch mehr – „Ich wollte mir dir über Jon reden. Er steht auf Rina, es könnte also sein, daß er auftaucht, wenn du mit ihr trainierst. Sei nicht zu streng mit ihm.“
Dorian zuckte zusammen. Rina war Kit’s ältere Schwester, und eine der stärksten, starrköpfigsten Soldatinnen im Rudel. „Selbst wenn er ein erwachsener Mann wäre und kein Jugendlicher würde sie ihn bei lebendigem Leib fressen.“
„Ich glaube er würde glücklich sterben.“ Clay’s Katze zeigte sich in seinen Augen, er unterdrückte ein Lachen. „Um ehrlich zu sein, sie ist sanft zu ihm.“
„Rina? Sanft?“ Dorian war Rina’s Ausbilder und Vorgesetzter, diese Aufgabe war ihm zugefallen nachdem die junge Frau ihren vorherigen Ausbilder um den Finger gewickelt hatte. Er mochte sie und war sich völlig sicher, daß sie ein tragendes Mitglied des Rudels werden würde, wenn sie weiter in ihre Kraft hineinwuchs, aber Sanftheit war nicht Rina’s Stil. Wie alle erwachsenen Leopardinnen die dominant waren, neigte sie eher dazu einen Verehrer herauszufordern als ihn zu streicheln. „Denkst du, sie weiß, daß er auf sie steht?“
Clay nickte. „Ich denke, sie versucht ihn vorsichtig los zu werden, weil er nur ein Kind ist – aber ich setze mein Geld auf Jon. Gib ihm noch ein paar Jahre und ich wette mit dir, daß er ihr nachstellt.“
„Ein hoher Einsatz, Mann.“ Dorian pfiff leise. „Aber weißt du was – wenn du Recht hast, werde [i]ich[/i] dir einen Kuchen backen, komplett mit aufgeputzter pinker Glasur.“
„Die Wette gilt.“
Ashaya kam um die Ecke um sich an Dorian zu lehnen, die von ihm gelösten Haare wieder sauber zu einem Knoten gebunden. „Worüber redet ihr beide?“ fragte sie, während er dem Drang widerstand ihre Arbeit wieder zunichte zu machen, seine Katze war begeistert, sie so nahe zu haben, dass Gefühl des Felles unter seiner Haut nicht mehr schmerzhaft, da er sich in seine Leopardenform verwandeln konnte.
„Ihr brütet etwas aus,“ fügte seine Gefährtin mit eindeutig argwöhnischem Ton hinzu.
Grinsend tat Dorian das, was er schon vorher hatte tun wollen und zog sie in einen langen, sinnlichen Kuss, der sie dazu brachte, ihre Finger in sein T-Shirt zu graben, während die erfreuten Geräusche der Kinder um sie herum erklangen.
„Wir reden über das Kuchenbacken,“ murmelte er danach.
Ashaya, deren Lippen von seinen kleinen Bissen geschwollen waren sagte mit rauher Stimme: „Hast du mir nicht erzählt, daß du den besten Bananenkuchen backen kannst? Ich habe ein paar reife Bananen.“
„Warum,“ sagte Talin von der anderen Seite der Theke und streckte sich, um Clay mit ihrem Rührlöffel an die Nase zu tippen, „machen wir keinen Wettbewerb? Dorian gegen Clay.“
Kit und Jon, die sich herumgedreht hatten, um zuzuhören zeigten ihnen den Daumen hoch. „Wir werden freiwillige Schiedsrichter,“ sagten sie großzügig.
„Denkst du ich könnte keinen Kuchen backen?“ sagte Clay zu seiner Gefährtin, ein Funkeln in seinen Augen.
Talin grinste, die Sommersprossen auf der goldenen Haut ihres Gesichtes trugen noch zu ihrem frechen Gesichtsausdruck bei. „Ich denke du wirst Dorian in seinen hübschen Arsch treten.“ Sie warf Clay eine Kusshand zu, die den Wächter zum lächeln brachte.
„Obwohl ich deiner Beurteilung von Dorian’s Körper zustimme,“ sagte Ashaya mit gespieltem Ernst und ließ ihre Finger durch Dorian’s Haar gleiten, was ihn tief in der Brust zum Schnurren brachte, „muß ich dir beim Rest widersprechen.“ Seine Wissenschaftlerin drückte sich an ihn, weiche Kurven und reine warme Weiblichkeit. „Mein Gefährte wird deinen im Mehl untergehen lassen.“
„Ich denke, daß ist eine Herausforderung,“ sagte Kit, wobei sich der Teufelsbraten, der er einmal gewesen war, in seiner Stimme zeigte.
„So wie ich das verstanden habe,“ fügte Jon hinzu, „scheuen Wächter niemals vor einer Herausforderung zurück.“
*****
Drei Stunden später, stießen Dorian mit einem Bier mit Clay an, während sie vor dem Haus standen und sagte: „Er war nicht zu zäh. Wirklich.“
„Und in deinem war auch nicht zuviel Salz,“ antwortete Clay, loyal bis in die Knochen.
Sie sahen einander an und fingen an zu lachen, das Geräusch breitete sich bis zu den spielenden Kinder und ihren Gefährtinnen aus, die sich unterhielten. Kit und Jon waren verschwunden – Kit hatte den Jungen mitgenommen, als er wieder auf seinen Wachposten ging, der Teenager sah zu dem jungen Soldaten auf, aber sie hatten versprochen zum Abendessen zurück zu sein.
„Ich denke,“ sagte Dorian als er wieder Luft bekam, „wir sollten den Schiedsrichtern extra große Stücke zum Nachtisch geben.“
„Es geschieht diesen Klugscheißern recht, uns so anzustacheln.“ Clay nahm einen Zug aus seinem Bier. „Das war ein grausamer und ungewöhnlicher Tod für diese Bananen.“
„Du hast gut reden – was zur Hölle hast du mit der Schokolade gemacht? Ich glaube Shaya und Talin trauern immer noch.“
Sie lachten wieder los, bis sie auf dem Boden saßen und die Bierflaschen an ihren Fingern baumelten.
Als Ashaya sich umdrehte um ihn anzulächeln, zeigte sich die Paarbindung mit wildem Funkeln in ihm und Dorian wußte, daß obwohl Backen und Klempern nie zu seinen Stärken zählen würde, er ein in einer Sache immer ein Experte sein würde: Shaya zu lieben.
Übersetzer: Fan-Übersetzung von Steffi aus dem Eternal-Lover Forum
Hawke’s Verfolger
Hawke ging den Gang hinunter und war sich wohl bewußt, daß er von schleichenden kleinen Wolfspfoten verfolgt wurde – oder vielmehr Pfoten, die versuchten zu schleichen. In ihm öffnete das wilde Raubtier, daß er war sein Maul zu einem wölfischen Grinsen.
An der offenen Tür zu Riley’s Büro stoppte er und streckte seinen Kopf hinein. „Hast du den Bericht bekommen?“
Sein ältester Offizier nickte. „Willst du jetzt darüber reden?“
„Nein. Das machen wir heute abend – bist du immer noch dabei?“
„Aber absolut.“ Riley salutierte ihm mit seiner Kaffeetasse. „Mercy nennt es übrigens Testosteron-Abend.“
„Sie ist nur eifersüchtig, weil Mädchen nicht eingeladen sind.“ Mit einem Grinsen ging er weiter den Gang hinunter, begleitet vom Klicken kleiner Krallen auf dem Steinboden der Höhle. Sie zögerten, als er sich seinem eigenen Büro zuwandte und er konnte die heftige Enttäuschung beinahe in der Luft spüren.
Ganz schnell ging er hinein, schnappte sich sein schmales, schwarzes Satellitentelefon und kam wieder heraus, wobei er darauf achtete, seinem Verfolger immer den Rücken zuzuwenden. Die kleinen Pfoten mussten Sprünge machen, um mit ihm Schritt zu halten und stoppten erst, als er auf Riaz stieß.
Der dunkelhaarige Offizier hob eine Augenbraue. „Dir ist schon klar, daß du verfolgt wirst?“
„Er ist nicht schlecht. Muß nur noch ein bißchen älter werden.“
Riaz’s Augen, ein dunkles Gold, füllten sich mit freundlichem Lachen. „Und ein gutes Stück wachsen.“
Seine Lippen zuckten nach oben als Hawke sagte: „Tu so, als ob du ihn nicht siehst.“
„Wen soll ich sehen?“
Während sie sich unterhielten war sich Hawke klar darüber, daß kleine Wolfsohren lauschten. Als er und Riaz fertig waren ging er den Gang weiter hinunter und zu einem der Ausgänge in die Weiße Zone, den sicheren Spielbereich direkt außerhalb der Höhle. Er hielt auf die Bäume zu, verstaute sein Telefon in seinen Jeans, zog sich aus und verwandelte sich in seinen Wolf.
Die Pfoten hinter ihm rannten, um im folgen zu können, als er seinen Körper schüttelte um seine neue Haut zu ordnen und sein silber-goldenes Fell zu ordnen und schließlich tiefer in den Wald sprang. Da ihm bewußt war, daß der kleine Verfolger auch nur bei einem Bruchteil seiner erwachsenen Geschwindigkeit nicht würde mithalten können, hielt er seine Schritte so, daß der andere Wolf nicht zurückblieb.
Am Rande eines Wasserfalls nahe an der Höhle stoppte er, sah hinunter in das schäumende Wasser und nach einem Moment trat der Besitzer der schleichenden Pfoten neben ihn und blieb dort stehen. Der Welpe hatte noch nicht seine erwachsene Farbe erreicht und war immer noch hellbraun, als er seinen Körper gegen Hawke’s lehnte, sein kleines Herz schlug schneller als das des Erwachsenen.
Hawke knurrte eine Begrüßung bevor er seinen Blick wieder auf das Wasser richtete.
Als er sich nach mehreren Minuten von dem rauschenden Wasserfall abwandte folgte ihm der Welpe und sie rannten die kurze Strecke zum Bau zurück. Nachdem er sich wieder in einen Menschen verwandelt hatte, zog er seine Jeans an und beobachtete, wie der Welpe sich in bunten Farben verwandelte. Nur Sekunden später stand ein kleiner Junge vor ihm.
„Hast du mich gesehen?“ fragte Ben mit leuchtenden Augen, die eindeutig noch dem Wolf gehörten. „Ich habe dich verfolgertet!“
„Das hast du richtig gut gemacht“, Hawke hockte sich vor den Jungen. „Du bist ein ausgezeichneter Verfolger.“ Er log nicht – für sein Alter war Ben sehr, sehr gut. Um genau zu sein war er besser als viele ältere Kinder. „Hast du geübt?“
„Ja! Ich habe Mama und Papa und sogar Onkel Judd verfolgertet!“
Hawke zerwühlte die Haare des Jungen. „Das habe ich auch gemacht, als ich jünger war. Ich bin meinem Vater durch die ganze Höhle gefolgt.“ Sein Vater hatte zugelassen, daß er glaubte, nicht entdeckt zu werden, genau wie Hawke es gerade mit Ben getan hatte – er wäre kein guter Leitwolf, wenn er den Jungen nicht unterstützen würde sein Vertrauen in seine Fähigkeiten aufzubauen. „Aber du weißt, daß du nicht versuchen darfst, Leute außerhalb der sicheren Zonen zu verfolgen?“
Ben nickte wieder. „Und wenn sie sich küssen. Das ist langweilig.“
Hawke unterdrückte ein Lachen. „Jap, Küssen ist ziemlich langweilig,“ stimmte er ernst zu. „Geh wieder rein. Ich muß jetzt aus der weißen Zone hinaus.“
„Okay. Tschüß!“ Ben rannte energisch winkend zur Tür der Höhle und verwandelte sich wieder in einen Welpen als er halb hindurch war. Hawke’s Lächeln wurde tiefer. Zweifellos würde bald jemand anderes feststellen, daß sie „verfolgert“ wurden.
Übersetzer: Fan-Übersetzung von Steffi aus dem Eternal-Lover Forum
Bärenparty
(Es geht nichts über eine Bärenparty!)
Silver marschierte tief in die Höhle der StoneWater-Bären und stieß dort auf einen nackten kleinen Jungen, der ganz mit Glitter und gelber Farbe bedeckt war. »Hallo, Dima«, begrüßte sie ihn, inzwischen an ein derartiges Willkommen gewöhnt. »Warum trägst du Glitter?«
»Für die Party!« Er reckte ihr die Arme entgegen.
Sie legte ihre Tasche auf den Boden – die Highheels hatte sie schon abgestreift, bevor sie aus ihrem Wagen gestiegen war – und beugte sich vor, um den Kleinen auf die Arme zu nehmen. Er machte es sich auf ihrer Hüfte bequem und drückte ihr einen begeisterten, feuchten Kuss auf die Wange. »Hab dich lieb, Siva.«
Es war immer noch eine Überraschung, dergleichen so offen ausgesprochen zu hören – noch dazu ihr gegenüber. Sie strich über die weiche Seide seiner dichten, dunklen Kringellöckchen und zwang die Worte heraus, die in ihrer Kehle fest zu sitzen schienen, weil es wichtig war, dass Kinder sie hörten. »Ich hab dich auch lieb, Dima.« Nicht einmal jetzt fiel ihr das verbale Eingeständnis des Gefühls leicht, obwohl sie für dieses Junge und jedes andere in ihrem Clan ihr Leben gegeben hätte.
Einen Arm um ihren Hals geschlungen, drückte Dima das Gesicht an ihre graue Jacke. »Ich hab dich glitzrig gemacht«, stellte er vergnügt fest.
Silver schaute an sich hinab und sah, dass »glitzrig« Glitterverseuchung bedeutete. Das war das unausweichliche Ergebnis, wenn man in einem Bärenclan lebte. »Wunderbar. Genau so etwas brauchte ich noch für die Party.« Sie betrachtete die Aktivitäten in dem riesigen, offenen Raum der Höhle, hektisch und wild selbst nach dem Maßstab der StoneWater Bären, und sagte: »Dima, was ist der Anlass für die Party?«
Der kleine Polarbär-Gestaltwandler auf ihrer Hüfte hob beide Hände, als wolle er sagen: keine Ahnung. »Party ist Party.«
Es war noch nie eine bärigere Bemerkung gemacht worden.
Sie ging mit Dima zu mehreren Erwachsenen hinüber, die Schachteln mit Dekorationsmaterial öffneten, und nahm sich den Bären vor, der sich immer einen Spaß daraus machte, ihren Bruder zu quälen. Sie hätte Pavel dafür geohrfeigt, wäre Arwen nicht vollauf imstande gewesen, besagten Bären seinerseits zu quälen. »Warum feiern wir eine Party?« Valentin verstand es für gewöhnlich gut, sie rechtzeitig auf kommende Partys hinzuweisen – ihr Gefährte wusste, dass sie, so sehr sie ihren Clan auch liebte, vor besonders überschwänglichen Ereignissen gelegentlich eine Vorwarnung brauchte.
Doch im Großen und Ganzen hatte Silver eine überraschende Fähigkeit entwickelt, mit dem Chaos fertigzuwerden.
Pavel schob seine Brille hoch und runzelte die Stirn. »Man sollte deinen Bruder von netten Bärenjungs fernhalten.«
Kopfschüttelnd tätschelte Silver seine Wange. »Du bist ein großer, starker Bär. Warum hast du Angst vor einem Empathen?«
Mit einem leisen Murmeln über »hinterhältig-katzenhaft, diese Mercants« beugte er sich nichtsdestotrotz vor und rieb seine Wange an ihrer, eine warmherzige Begrüßung, die sie vor nicht allzu langer Zeit schockiert hätte. »Wir feiern euer Paarungsband«, sagte er anschließend mit einem Grinsen. »Denkst du, wir hätten uns das entgehen lassen?«
»Nein, obwohl ich mir Hoffnungen gemacht habe.«
Pavels wassergrüne Augen leuchteten hinter seinen Brillengläsern. »Und ein hintergründiger Humor.« Er zwinkerte Dima zu. »Soll ich dich huckepack nehmen? Ich geh zu deiner Mom und frag sie nach dem Kuchen.«
»Kuchen!« Dima wechselte sofort die Gefolgschaft.
Er landete sicher auf Pavels Rücken … und im selben Augenblick legte ein viel größerer Bär von hinten die Arme um sie, seine Haut honigdunkel und seine Muskeln wohldefiniert. »Hallo, Starlight«, brummte Valentin, und seine Wärme sickerte durch ihre Kleider und brandmarkte ihre Haut.
In ihr dehnte und erwachte etwas, und ihre Seele seufzte. Ihr oft halsstarriger und immer liebevoller Gefährte erreichte Tiefen von Silver, die sonst niemand erreicht hatte oder jemals erreichen würde. »Hallo Valyusha«, murmelte sie, während Pavel mit Dima auf dem Rücken davonspazierte. »Ich habe gehört, drei unserer Bären seien verhaftet worden.«
Valentin stöhnte. »Ich habe die Idioten gerade ausgelöst. Sie haben sich gestern Nacht betrunken und beschlossen, einen Papageien zu stehlen.«
»Einen Papageien?«
»Einen Dummschwätzer von Papagei, der einer echt wilden Frau gehört. Von ihr hat er offensichtlich alles gelernt, was er weiß.«
Silver verspürte eine überschäumende Wärme in sich, von der sie jetzt wusste, dass es Belustigung war. »War sie gemein zu dir?« Sie drehte sich in seinen Armen und tätschelte ihm die Wange, so wie sie es zuvor bei Pavel gemacht hatte; sein Kinn war hart und kantig unter ihren Fingern, seine Haut rau von Bartstoppeln. »Ich werde mich um sie kümmern.«
Ein Stirnrunzeln, und schwarze Brauen zogen sich über dem zauberhaften Dunkel seiner Augen zu einem V zusammen. »Verspotte mich nicht«, brummte er, bevor er sie küsste.
Die Berührung war ein vertrauter Schock, körperliche Lust und gefühltes Glück, das so tief ging, dass Silver vielleicht niemals die Worte finden würde, um zu beschreiben, wer und was Valentin für sie war … aber er wusste es. Ihr Gefährte spürte ihr Herz, und er verstand all das, was sie nicht aussprechen konnte.
Anschließend drückte Valentin seine Lippen auf ihren Hals und schien nicht einmal zu bemerken, dass einer ihrer Clangenossen ihn mit einer Ladung von Papphüten in Katzenohrenform beinahe umrannte. Er war dafür gebaut, die Grobheiten und Rempeleien wegzustecken, die man als Alpha eines Bärenclans aushalten musste. Aber Silver wusste, dass seine großen Pranken auch sehr zärtlich sein konnten.
»Ich habe unsere Paarungbandsparty erwähnt, als ich in der Stadt war«, gestand er, »und alle haben traurige Gesichter gemacht, weil sie nicht eingeladen waren.« Silver zog eine Augenbraue hoch.
»Also habe ich sie eingeladen.« Valentin lächelte so hinreißend und offen, dass ihre Abwehrmechanismen davon in Stücke zerbrochen wären, hätten sie nicht bereits längst in Scherben zu ihren Füßen gelegen. »Das wird eine Party, dass ganz Moskau das Dach wegfliegt!«
Seine Bemerkung verbreitete sich binnen Sekunden. Hundert oder mehr Bären stampften zustimmend mit den Füßen auf den Boden.
Trotzdem war Silver nicht vorbereitet auf das Fest, das in dieser Nacht ihre Stadt beherrschte. Bären in ihrer tierischen Gestalt tanzten mit Menschen, die plötzlich Massen von bunten Perlenketten trugen, während Mediale wie vom Blitz getroffen daneben standen … aber nicht fortgingen. Ab und zu versuchte ein Bär in Menschengestalt sein Glück, nahm ein paar Perlenketten oder Plätzchen und brachte sie seinem erwählten Medialen. Die ganz Schlauen schnorrten sich einen Energy-Drink zum Flirten.
Die meisten Medialen, denen diese Aufmerksamkeiten galten, wichen einen Schritt zurück und nahmen das Geschenk dann höflich entgegen – und fanden sich irgendwie sogar bereit, mit dem Bären zu tanzen.
Silver schüttelte den Kopf. »Bären sind eine Gefahr für die öffentliche Ordnung.« Sie fragte sich, wie viele von ihren Leuten am Ende verzaubert im Bett eines Bären landen würden, genau wie sie selbst es getan hatte.
Die Gefahr, die sie dicht umschlungen hielt und sie beide durch einen langsamen und sinnlichen Tanz führte, grinste nur und küsste sie. Da sein T-Shirt weiß der Himmel wohin verschwunden war, breitete sie die Hände auf der nackten Haut seines Rückens aus und genoss es, von ihm verschlungen zu werden. Valentin Nikolaev war in jeder Hinsicht ihr Favorit.
»Dein früherer Boss hat es drauf«, sagte er ihr, als sie innehielten, um Atem zu schöpfen. Seine Lippen waren feucht vom Küssen, seine Hand lag besitzergreifend auf der Wölbung ihrer Hüfte, und mit den Fingern zog er die Linien ihres Hinterns nach.
Silver folgte Valentins Blick und sah, wie Kaleb Sahara in die Arme nahm, nachdem er sie elegant umhergewirbelt hatte. »Er ist ein TK-Medialer.« Der mächtigste auf der Welt. »Körperliche Anmut ist natürlich für ihn.«
Valentin nahm sie abermals in die Arme, und die gekühlte Flasche Bier, die in seiner Hand erschienen war, drückte sachte gegen ihren Rücken. »Aber Bären sind die besseren Tänzer.«
Silver schaute ihren schmollenden Gefährten an. Und lächelte. »Bären sind in allem besser«, entgegnete sie und erhielt als Belohnung ein durchtriebenes, selbstgefälliges Grinsen. Und dann beugte der Bär sie über seinen Arm, sodass ihr Haar den Boden streifte und die goldenen Ziermünzen in ihrem kurzen Kleid in den Lichtern glitzerten, die in langen Ketten über den ganzen Platz gespannt waren.
Das Kleid war ein Geschenk von Valentins Schwestern. Nova hatte gesagt: »Du hast Beine bis in den Himmel, Seelichka. Sieh zu, dass meinem Bruder die Augen aus dem Kopf fallen.«
Dieser Bruder stellte sein Bier jetzt achtlos auf den Boden und strich ihr mit der Hand über den nackten Oberschenkel. »Mir gefällt dieses Kleid.«
»Wahrscheinlich, weil es rückenfrei ist und einen Daumenbreit unter meinem Hintern endet.«
Er zog sie wieder in eine aufrechte Position und drückte ihr einen Kuss auf die Kehle. »Es ist ein sehr hübscher Hintern.«
Mit einem donnernden Knall explodierte der Himmel in vielen leuchtenden Farben. In der Gestalt eines riesigen Bären. Die Bären um sie herum – ihr atemberaubender Gefährte mit seinem großen Herzen – brüllten anerkennend. Inmitten von Lärm, Chaos und betrunkenen Bären, und gehalten in der urtümlichen Wärme eines Gestaltwandlers, der die andere Hälfte ihrer Seele war, wusste Silver, dass sie Zuhause war.
Bären … eben.
Übersetzer: Michaela Link